Kommentar
Le Blancs Studie zur ägyptischen Proportionslehre erschien erst im folgenden Jahr und nach den beiden Schriften von Choulant von > 1852 und > 1858 stellt dieser Aufsatz von Trost den zweiten monographischen Beitrag dar, der als kunstwissenschaftlich konzipiert und als rein historische Studie verfasst wurde. Schottky hatte > 1825 einen Aufsatz zu den überlieferten Handschrfiten zur Proportionslehre Dürers veröffentlicht. Trost nun wertet die verschiedenen Edition des Dürerschen Buches aus, um zu einer tabellarischen Zusammenfassung aller Maßangaben zu gelangen, die er in einer vergleichenden Studie verwerten wollte, die dann 1866 erschien.
Derartige Versuche waren nicht neu. Schon Schadow (> 1834) hatte sich mit der vergleichenden Übersicht zu Maßsystemen befaßt. Quételet hatte > 1835 und > 1848 eine Synopse der ihm erreichbaren Maßangaben von antiken Statuen vorgelegt. Carus (> 1853, > 1854) und Zeising (> 1854, > 1857) verwandten das Vergleichsargument im Rahmen der Begründung ihrer Konzeption. Insofern finden wir bei dem Bibliothekar - der von 1835 bis 1850 Professor für Theorie und Geschichte der Kunst an der königlichen Akademie der bildenden Künste in Wien war -, Johann J. Trost (*16.05.1789 Wien - † 8.02.1866 Wien), einen weiteren Fall solcher Kontrollstudie vor.
Nur bei Harless (> 1856) lag der Fall anders: Er bastelte aus diesen historischen Vorschlägen ein Mittelmaß, gleichsam ein neutralisiertes somatisch-ästhetisches Idealbild menschlicher Gestalt, einem Lieblingsthema vor allem der französischen Proportionsliteratur der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts.
Dahinter stand zweifelsohne - nirgends ausgesprochen - der heimliche, aber offensichtliche Wunsch als Autor eines modernen Kanon des Polyklet vor die Nachwelt treten zu können. Dieser neue mittlere Mensch verkam indessen rasch zum willkommenen statistischen, kommerziell ausbeutbaren Zentrum der Konfektionsindustrie und des Design.
Bibliographie
Titel:
»Die Proportionslehre Dürer′s nach ihren wesentlichen Bestimmungen in übersichtlicher Darstellung. Von J.J. Trost Rath, Professor und Bibliothekar an der K. Akademie der Bildenden Künste. Mit 2 Tabellen und 2 Tafeln.« Wien, gedruckt und in Commission bei Carl Gerold's Sohn 1859.
- Titelblatt, I Blatt Zitate, S. 1 - S. 2
Vorbericht, S. 3 - S. 7
Dürer′s erstes Buch., S. 8 - S. 17
Dürer′s zweistes Buch., S. 18
Tabelle A., S. 19
Tabelle B., I Blatt
Berichtigung., Tafel
I., Tafel
II..
Literatur: C. von Wurzbach, »Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich.« Bd. 47, S. 244 - 245; Graf 1958, S. 32; Walter Wagner, »Geschichte der Akademie der bildenden Künste in Wien.« Wien 1967, S. 417; Gerlach 1990, S. 131, 227*.
Exemplar: Wien, Österr. Nationalbibliothek
> digital; Privatbesitz.
© w.p.gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.