Kommentar
Prof. Dr.med. Emil Harless (*1820 in Nürnberg - † 1862 München) wurde 1846 in Esslingen promoviert nach dem Studium in Würzburg, Wien und Prag. 1848 erhielt er eine Dozentur, 1857 eine ordentliche Professur an der medizinischen Fakultät der Universität in München. Er beschäftigte sich mit der Physiologie der Muskel-Mechanik.
Die Vorlesungen über plastische Anatomie erschien erstmals 1856. Harless erörterte ausgiebig die Anatomie (bis S. 288), dann ebenso ausführlich auch die Muskelmechanik des männlichen Körpers - als Bewegungslehre (bis S. 415) - und schließlich noch Gestik und Mimik (S. 416 - 437). Ab S. 433 stellte er Überlegungen an zur "Verwerthung für die Compositionen" auf Gemälden oder im Relief. Die Proportionslehre bildet das Schlusskapitel XIX (S. 438 - 472). Dieses Kapitel setzt sich aus einer kurzen historischen Einleitung (S. 439) und Referaten der Listen von Einzelmaßen nach Quételet (› 1848) und Zeising (› 1854/ > 1856) zusammen.
Eigene Messungen und vor allem Vorschläge zum Meßverfahren finden sich ausschließlich am Schluß der Kapitel über die Anatomie des Kopfes ab Kapitel IV. (S. 73 ff), in denen Fragen der Mimik, Proportion der Gesichtsteile (§ 45, S. 83 - 87), gefolgt von Physiognomik und Porträt (§ 56. S. 118 ff) behandelt wurden. In diesen Passagen ging er jeweils auch bereits auf Fragen der bildkünstlerischen Umsetzung ein. Der antiken Kunst widmete er im Anschluß ein eigenes Kapitel (VI. § 58. S. 125 - 134).
Nach diesem Exkurs über ästhetische Fragen ließ er sich näher auf ein anthropometrisches Problem ein, dem des Messens und vor allem dem der zu dieser Zeit besonders strittigen - dem der Meßpunkte (Kap. VII. § 60. S. 135 - 142), die hier abgebildet sind (Tab. I.). In diesem Kapitel stellte er zwei Geräte vor, die er zwar nicht als eigene Entwürfe deklarierte, aber auch nicht als fremdes geistiges Eigentum bezeichnete. Daher können wir annehmen, daß sie von ihm stammen.
Hatte sich Harless mit nur wenigen Zeilen Kommentar und einer Tabelle nach Zeising › 1856 (S. 471 - 472) zu Rassenunterschieden begnügt, so fügte der Herausgeber der 2. Auflage ein ganzes Kapitel (Anhang, II., S. 482 - 496, Fig. 12 - 19, Anhang Taf. I. - Taf. II) darüber hinzu. Bemerkenswert erscheint die Begründung, die der Herausgeber, ein Herr R. Hartmann, in der Vorrede zur zweiten Auflage niederschrieb: "Unterzeichneter hofft nun durch seine Anhänge wenigstens das Interesse der jungen Künstler für eine mehr anthropologische Ausbeutung der Malerei und Bildhauerei beleben zu können." Es lohnte sich wohl dieser Behauptung nachzugehen.
Bibliographie
Titel:
»Lehrbuch der plastischen Anatomie für Akademische Anstalten und zum Selbstunterricht von Prof. Dr. E. Harless. Zweite Auflage. Herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Prof. Dr. R. Hartmann. Mit 101 Holzschnitt-Illustrationen, 25 lithographierten Tafeln und vielen Tabellen. 3 Teile.« [Stuttgart. 1856.
- 1858] Stuttgart. Verlag Ebner & Seubert. 1876².
- Vortitelblatt, Titelblatt, S. V - S. VII
Vorrede zur ersten Auflage von Dr. E. Harless., S. VIII
Vorrede zur zweiten Auflage von Dr. R. Hartmann, S. IX - S. XVI
Inhalt., S. 1 - S. 544 Text, I graphische Tabelle, Tab. I. - II., Taf. I. - Taf. XX., Anhang Taf. I. - Anhang Taf. II.
Literatur: »Deutsches Biographisches Archiv.« N.F. 524, S. 226; Gerlach 1990, S. 34, 36, 125, 225*, 232, 234, 236 f, 245.
Exemplar: West Virginia University Libraries: 1876
› digital; Aachen, Hochschulbiliothek, Sign.: 2 Cc 156.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.
© RWTH Aachen 12.12.1999.