Kommentar
Der Vortrag trägt das Datum vom 29. Juillet 1750. Als Professor der Anatomie an der
École de Chirurgie war Jean-Joseph
Sue zugleich in nämlicher Funktion an der Kunstakademie in Paris tätig.
Hatte Martinez (› 1689) zum erstenmal am menschlichen Skelett die Proportionsverhältnisse vorgeführt, so hatte er über die anthropometrisch naheliegende Begründung nichts schriftlich hinterlassen. Jean-Joseph Sue soll nun derjenige gewesen sein, der eine solche Begründung lieferte: die genaue Definition der Messpunkte.
Den Verkündern der kunsttheoretischen Proportionslehre war das kein Problem geworden, denn sie sprachen zwar häufig von der Gestalt des Menschen, meinte aber immer das gemalte oder gemeißte Abbild dieser Gestalt. Beim Messen bezog man sich zudem in der Regel auf antike Statuen (oder Abgüsse davon) und hatte dort kaum eine Chance genaue Definitionen der Messpunkte zu vereinbaren. Es blieb bei Näherungswerten.
Die anthropometrische Praxis wurde beim Militär praktiziert: Rekrutenvermessungen (z.B. Elsholtz > 1654 oder auf einer Zeichnung von Goethe dargestellt) begnügten sich in der Regel mit Messungen der Abstände der Höhe nach und einigen Breitenmaßen, denn die Uniformen wurden individuelle vom Schneider angefertigt, der Rekrut bekam dafür eine bestimmte Menge Stoff ausgehändigt.
Mit der in die innerweltliche Begründung überführten Welt-Ähnlichkeit des menschlichen Gestalt (Nabel nicht mehr Zentrum, sonders os pubis als Lage des Schwerpunktes) im XVII. Jahrhundert (> Borelli) konnte Sue hier nun wieder die Relativität auch dieser Norm unter Beweis stellen.
Bibliographie
Titel: „
Sur les Proportions du squelette de l'homme, Examiné depuis l′âge le plus tendre, jusqu′à celui de vingt-cinq, soixante ans, & au delà. Par M. Sue, Professeur royal d′Anatomie aux écoles de Chirurgie, & à l′Académie royale de Peinture, &c.". In: «
Mémoires de mathématique et de physique présentés à l'Académie des Sciences. Tome Second.» A Paris, de l′Imprimerie Royale. M. DCCLV. S. 572
Sur les Proportions du Squelette de l′Homme. - 585
„... plus que dans la conformation ordinaire.“.
Bibliographischer Nachweis: NUC - Pre 375, S. 187.
Literatur: Archiv Bibliographique Français 971, S. 22 - 26; Gerlach 1990, S. 17, 32, 119, 183*.
Exemplar: Paris, Bibliotheque national de France, Gallica
› digital.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.