Kommentar
Johann Sigismund
Elsholtz (auch Elsholz, *26. / 28.08.1623 Frankfurt, Oder - † 19. / 28.02.1688 Berlin) wurde 1656, drei Jahre nach seiner Promotion mit dem vorliegenden Werk, 33 jährig, Leibarzt des Großen Kurfürsten von Brandenburg.
Sein Buch über die Anthropometrie von 1654 kann als das erste Werk bezeichnet werden, das eine Proportionslehre in eine allgemeine medizinisch-astrologische Anthropologie einbindet. Aussagen über proportionale Verhältnisse am und im menschlichen Körper nach Gewicht, Masse und Abmessungen trugt er vorzüglich aus der gesamten verfügbaren medizinischen Literatur zusammen.
Aus seiner später dann beruflich bedingten Aufgabe machte er aber wesentlich mehr. Er schrieb in diesem Buch auch über statistische Beobachtungen, die er wie selbverständlich als Proportionslehre im Geiste von Dürer anlegte, den er in der Einleitung mehrfach lobend erwähnte. Er hatte alles für ihn erreichbare dazu gelesen und verwertete es angemessen. Dadurch kam er zu dem Schluß, daß eine empirische Bestätigung der veröffentlichten Meinungen und Vorschlägen der kunsttheoretisch orientieren Proportionslehre fehle. Diese lieferte er nicht nur nach, sondern kompletierte sie um ein Mannigfaches.
Zuvor hatte er in Wittenberg Medizin studiert, ging dann nach Padua, wo er 1653 zum Doktor der Medizin promovierte. Seine Dissertation erschien auf Latein in Padua, dem Ort, an dem die Universität ihm den Zugang sowohl zum aktuellen Stand der Medizin, als aber auch der Kunsttheorie eröffnete, wovon er sich vorher schon einiges auf dem Weg über Holland und Frankreich nach Italien angeeignet haben mochte.
Daß im Ergebnis er sich für einen Norm-Menschen nach dem Muster des homo bene figuratus des Vitruv entschied, zeigt sich an den beiden Kupferstichen des "Homo Symmetrus" (p. 257 - 258). Unter Zuhilfenahme von drei Instrumenten, dem Anthropometron (Taf. S. 53), einem Filum und dem Circinum (S. 254) erstellte er die drei Dimensionen umfassende Maßtabelle (S. 254 - 256). Nur dadurch daß er sich dazu entschied als Grundeinheit die Höhe des Kopfes einschließlich des Halses festzulegen, wurde der Nabel zur metrischen Mitte des Körpers, wie es bereits Alberti vor ihm dargestellt hatte.
Dann überrascht nun nicht mehr, daß ausgerechnet im Berliner Umkreis ein solch pragmatisch-empirischer Ansatz in der Mitte des XVII. Jahrhunderts zu finden ist. Als Militärarzt hatte er später mit Rekustenvermessung zu tun. Diese ihm schon zu Studienzeiten geläufige Praxis schlägt sich nun teilweise auch in seinem Buche nieder, denn er behandelt die Proportionslehre nicht nur als Kunstlehre, sondern auch unter medizinischem Gesichtspunkt. Dieser medizinische Blickpunkt resultiert aus dem auf der Säftelehre basierenden Ähnlichkeitsprinzip Savonarolas, deren auf den Körper bezogene Symbolik er von della Porta (1586, 1644) bezogen hatte.
Damit erhielt der im Quadrat eingeschlossene Körper einerseits eine kosmische Dimension, zugleich aber auch ein retorspektives Gesicht. In den kunstakademischen Proportionslehren der folgenden Zeit wurde seine Überlegung nirgends rezipiert, ja nicht einmal sein Name erwähnt.
Bibliographie
Titel: »Ioannis Sigismvndi Elsholtii Anthropometria, Accessit Doctrina Naevoruvm. Ad Sereniss. S. R. I. Principem Electorem Fridericvm Gvilielmvm Marchionem Brandebvrgicvm.« Patavii, Typis Matthæi Cadorini. M. DC. LIV.; [Frankfurt a.d. Oder 1663; Nürnberg 1695].
- Titelblatt, V SS. Widmung, I S., Text mit 7 Abbildungen S. 1 - 99, IV Blatt Gedichte, I Blatt Typographus.
Bibliographischer Nachweis: Bridson 1990 S. 237, No. E 520.
Literatur: Tanner 1981 S. 45 - 49; Gerlach 1990 S. 14 f, 25, 26, 28 f, 30, 32 f, 41, 117 ff, 143 f, 169 f*, 203.
s.a. › Schriften.
Exemplare: Bibliotheca Complutense 1654 › digital; München, Bayer. Staatsbibliothek: Editio post Patavinam altera, figuris aeneis illustrata, Francofurti ad Oderam, M DC LXIII. › digital; Privatbesitz.
© wp.gerlach 12.12.1999; revidiert 06.2019