Kommentar
Hubert Corneille Ambrosium Leopoldus
Fock (* 1811 - † 1894) war als Mediziner in Utrecht tätig. Er wagte es konsequent die Vorschläge aus der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts umzusetzen aus den Maßen römischer Kopien nach griechischen Statuen den
Kanon des Polyklet (Pl. III) zu rekonstruieren.
Dazu wählte er den Apoll vom Bevedere (Pl. I.) und die Venus von Milo (Pl. II.) aus. Nach deren Maßen ließ er von dem Bildhauer L. Kley in Paris eine Gipsstatue (Pl. III) nach seinen Vorgaben anfertigen. Als Haltungsmotiv für den Speerträger (Doryphoros) verfiel er auf eine Gestalt, die der Typologie nach eher archaisch wirkt: Der Speer - nur als kurzes Fragment dargestellt - wird in der gerade herabhängenden Rechten gehalten. Das Standmotiv ist ebenso dem archaischer Statuen nachempfunden. Blickt man auf den ausgestreckten Finger der rechten Hand, so wird deutlich, daß Fock mit seiner Rekonstruktion nicht das plastische Kunstwerk des Polyklet imaginieren wollte, sondern eine orthogonale Projektion des Proportionsschemas eines Doryphoros. Die Abmessungen waren also das Ziel seiner Rekonstruktion als anthropologisch interessierter Mediziner.
Auffällig ist nur, daß er sich in seinem Vorgehen keineswegs mit dem seiner anthropologischen Zeitgenossen vergleichbar erweist, sondern Positionen umsetzte, wie sie etwa von Algarotti › 1769 vertreten wurden. Schon die wenige Jahre später von Falconet › 1781 vorgetragene Kritik, die seit dem die Diskussion bestimmte, erreichte ihn nicht.
Zur zeitgenössischen Archäologie scheint er überhaupt keinen Kontakt gehabt zu haben. Wäre das der Fall gewesen, müßte er zumindest auf den Neapler Doryphoros aufmerksam geworden sein, den Guillaume dann erst › 1888 erneut in die Diskussion brachte.
Bibliographie
Titel: »Anatomie canonique ou le Canon de Polyclète retrouvé. Par H. C. A. L. Fock. Doctor de Médecin de la Faculté d′Utrecht et Membre de l′Academie Royal des Beaux Arts a Amsterdam.« Utrecht Kemink Et Fils - Paris Vve. Jules Renouard. - Leipsick Rudolph Weigel. MDCCCLXVI.
- Titelblatt, I Blatt A la Memoire, II Blatt Si j′offre, S. 5 - S. 14 Explication des Planches, Planche I. - pl. XIII.
Bibliographischer Nachweis: Bridson 1990, S. 240, Nr. E573, 580, 581.
Ausgaben: ndl. Utrecht 1875. 2°, IX, 59 SS., 27 Taf.; engl.: »Popular Aesthetic Considerations on the Symmetry of pleasing Proportions, by H. C. A. L. Fock; translated from the original by F. Lowe.« Cambridge, Hall and Son, 1877. 2°, IV, 37 SS., 27 Taf.
Literatur: G. A. Lindeboom, »Dutch medical Biographie. 1475-1975.« Amsterdam 1984; Gerlach 1990, S. 34, 35, 155, 159, 231*. Claire Barbillon, »Canons et theories de proportions du corps humain en France (1780-1895),« PhD Universite de Paris X Nanterre, 1989.
Exemplar: Heidelberg, Univ.Bibliothek › digital; Privatbesitz - Vorbesitz Mevrowe L. Bonnet geb. v. Berkel, Bibliotheca Seminarii Warmondani.
© WP.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.