Kommentar
Falconet (Maler, *1741 Paris - † 1791) zerschlug beide Stützen, auf denen man bisher etwas Gesichertes über den Kanon das Polyklet zu wissen glaubte:
Er griff das Problem der Rekonstruktion des Kanon des Polyklet nicht primär von der denkmalhistorischen Seite her auf, obwohl er selber Bildhauer war.
Ihn sollte - müsste man glauben - durchaus interessiert haben, was Winckelmann entweder in der »Geschichte der Kunst« (› 1764) oder in den »Monumenti inediti« (1767) dazu geschrieben hatte. Winckelmann nämlich hatte eine 1738 gefundene Kopie des Doryphoros in der Villa Medici gesehen und erwähnt, aber nicht mit dieser alten Frage in Zusammenhang gebracht.
Falconet nähert sich dem Problem von der philologischen Seite, obwohl darin reiner Autodidakt. Der Plinius-Text war nach Franciscus Junius (› 1637) zuletzt in einer neuen Übersetzung durch Caylus vorgelegt worden. Auf Junius rekurrierte Falconet nur gelegentlich. Sein Anstoß war indessen aktueller. Er kritisierte diese Übersetzung des Comte de Cylus in der »Encyclopedie« (Vol. 14, pag. 824).
Seine Übersetzungsalternativen nun kommen der Sache beträchtlich näher. Er entwirrte die z. T. widersprüchlichen und falsch wiedergegebenen Angaben im Text des Plinius. Nur, damit geriet das akademische Argument vom "mittleren Maß" ins Wanken, denn seiner Folgerung nach müsste diese Musterstatue einen sehr spezifischen Charakter aufgewiesen haben.
Als nächstes nimmt er sich die bisher vorgeschlagenen Statuen - die zugleich zu den kanonischen Studienobjekten der französischen Akademie zählten- kritisch vor: Torso vom Belvedere, Herkules Farnese, Fechter Borghese. Er dividierte auseinander, daß die antiken Bildhauer zwar aus Statueninschriften bekannt, in der Literatur aber nirgends genannt seien. Zudem hätten diese Statuen aber rein garnichts mit der antiken Beschreibung des Doryphoros zu tun.
Bibliographie
Titel:
»Oeuvres contenant plusieurs écrits relatifs aux beaux arts.« Tome Troisieme.
„Notes sur trois Livres de Pline L'Ancienne, où il Traité de la Peinture et de la Sculpture. On y a joint la Traduction des ces mêmes Livres, comme piece justificativ des Notes, pour ceus qui ne lisent pas l′Auteur dans sa langue. Plusieur de ces Notes sont fondée sur un manuscrit d′autant plus rare, qu′il paroit ignoré des Savants, jusqu′à ce jour.“ Lausanne, Chez la Société typographique, M. DCC. LXXXI.
Vortitelblatt, Titelblatt, S. I - L, 2 Blätter, S. 1 - 292.
Literatur: J. Alazard, "Falconet, Pierre Etienne." In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 11, 1915, S. 221 - 222; Gerlach 1990, S. 31, 44, 119, 191*.
Exemplar: Paris, Bibliotheque national de France:
› Titel; Havard University Library
› Passwort; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.