Kommentar
Auf seiner Reise besucht im Jahre 1781 Friedrich Nicolai den Bildhauer Franz Xaver
Messerschmidt (*1736 Wiesensteig bei Geislingen, Württemberg, - † 1783 Preßburg) in dessen Atelier in Preßburg. Messerschmidt war zu der Zeit bereits für geisteskrank erklärt, 1774 seines Postens als stellvertretender Direktor der Wiener Akademie enthoben und in Pension geschickt worden.
1772/1774 - 1783 entwarf er seine expressiven Grotteskköpfen, die ihm in der Kunstwissenschaft der 30er Jahre des XX. Jahrhunderts noch den Verdacht auf rezidive Schizophrenie einbrachten.
Nicolai hatte nach dem Gespräch wohl den Eindruck gewonnen, daß dieser Mann sehr sonderlich wirkte. Dadurch hat sich die Legende verbreitet Messerschmidt habe im Zustand geistiger Zerrüttung sein Alterswerk geschaffen. Auf der anderen Seite berichtet derselbe Nicolai aber sehr genaue Details über die Vorstellungen von Proportionen, die Messerschmidt geäußert habe. So hatte er eine Kopie des Herkules Farnese in Holz angefertigt und das in den rechten Maßen, ohne vorher zu messen.
Bei dem von Nicolai erwähnten Buch mit Proportionsfiguren kann es sich sehr wohl um das Werk von Audran - oder eine Kopie danach - gehandelt haben. Das hatte Messerschmidt wohl während seiner Tätigkeit an der Wiener Akademie für Unterrichtszwecke benötigt. Diese Akademie war unter Kaiser Joseph II (1765 - 1790) keineswegs immer mit ausreichenden Mitteln bedacht worden. So war gelegentlich Improvisationstalent gefragt, um den Anforderungen der Ausbildung nachzukommen.
Daß Messerschmidt dabei auch auf den Hermes Trismegistos zu sprechen kam, hat für uns nachvollziehbare Gründe.
Sehr wohl kann das mit seinem Interesse an Franz Anton Messmers (* 1734 - † 1815) Magnetismus-Theorie gestanden haben, die u.a. ebenso wie von Hermes Trismegistos von planetarischen Einflüsse auf den Menschen handelte. Zu Messmer pflegte Messerschmidt Kontakt. Von ihm hatte er eine Büste angefertigt.
Daß Messerschmidt sich zuvor schon mit Proportionsfragen und den Maßen von antiken Statuen beschäftigt hatte, ist weder ungewöhnlich noch besonders auffällig. Das war üblich an jeder europäischen Kunstakademie. Ungewöhnlich war indessen sein Interesse an einer ägyptischen Figur, deren Proportionen er für mustergültig hielt. Die Proportionen der ägyptischer Figuren wurde erst nach der napoleonischen Expedition zu einem Thema der europäischen Kunsttheorie.
Bibliographie:
Titel: »Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz, im Jahre 1781. Nebst Bemerkungen über Gelehrsamkeit, Industrie, Religion und Sitten, von Friedrich Nicolai.« Sechster Band. Berlin und Stettin 1785.
- Titelblatt, S. III - XVIII Vorrede, I Blatt Zusammenrechnung, S. XX - XXIX. Abermalige Berichtigungen und Zusätze zum I bis IVten Bande. - L Berichtig. u. Zusätze zum VI. Bande., S. LI Inhalt des fünften Bandes. - LVI Inhalt des sechsten Bandes., II Blätter Fortgesetztes Pränumerantenverzeichnis B - Z, Titelblatt Sechster Band., S. 325 Zweytes Buch. - 784 Ende des sechsten Bandes., S. 1 - 57 Beylage XV. I., S. 59 gefaltete Tabelle 1 - 2, S. 75 Von Besessenen., S. 93 Register - S. 104.
Literatur: Berlin, Staatsbibliothek: Messerschmidt, Lebensgeschichte, 1794: › digital; P. Grotemeyer, "Messerschmidt, Franz Xaver." In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 24, 1930, S. 431 - 433; Gerlach 1990, S. 191*.
Exemplar: München, Bayer. Staatsbibliothek, 6. Band, 1785 › gigital.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 12.06.2019.