Kommentar
Duval argumentiert als Anatom. Daher finden sich Bemerkungen zur Maßhaltigkeit einzelner Körperglieder zumeist gegen Ende der Kapitel (Vorlesungen) zu den entsprechenden Körperteilen.
Ausdrücklich vermerkt er in der 7. Vorlesung, daß die Vorstellung von einem Kanon, wie ihn die Ästhetik kennt, aus Sicht des Anatomen nicht bestätigt werden kann.
Dennoch behandelt er beispielsweise den von Charles Blanc › 1860 beschriebenen ägyptischen Kanon. Hierbei dient die Beschreibung der Anatomie des Armes als Vorgabe für die Erörterung sowohl des Klaftermaßes, des „homo bene quadratus" nach Vitruv/Leonardo, als auch die Länge des Mittelfingers zu der des ägyptischen proportionalen Maßsystems. Zudem verweist er auch in den anderen Vorlesungen auf die für diesen Teil ihm bekannte historische Diskussion um einen ästhetisch-künstlerischen Kanon.
Besonders ausführlich geht er auf den › Camper'schen Gesichtswinkel in der 14. Vorlesung ein.
Hier bot sich ihm Gelegenheit einerseits auf die Unklarheit der Angaben zu den Meßpunkten in der verschiedenen Proportionslehren hinzuweisen, wie andererseits die Benutzung verschiedener Teilungen der ganzen Gestalt nach 7, 7½ oder 8 Kopflängen auf die korrespondierende unterschiedliche Länge der Beine zurückzuführen.
Er verteidigt diese Wahl - am Beispiel antiker Skulturen aufgezeigt - damit, daß auch in der Natur diese Unterschiede vorkämen.
Zur modalen Hierarchie, die in der Proportionstheorie mit der jeweiligen Wahl verbunden war, verlohr er kein Wort. Daraus scheint die Folgerung nahegelegt zu sein, die Natur selber richte sich nach derartiger Systematik. Gleichwohl ist anzunehmen, daß dort sicherlich auch alle denkbaren Zwischenwerte anfallen.
Damit ist die Wahl irgendeines dieser von ihm angesprochnenen Proportionssysteme immer eine ästhetische Entscheidung gegen die natürliche Vielfalt. Davon aber kein Wort bei ihm, obwohl - oder gerade weil er eine Professur an der Pariser Akademie der bildenden Künste innehatte, als Anatom nämlich.
Bibliographie
vgl. Duval Paris
1881;
Titel:
»Grundriss der Anatomie für Künstler von Mathias Duval Professor der Anatomie an der Kunst-Akademie zu Paris, Professor der medizinischen Fakultät, Mitglied der medizinischen Akademie. Autorisierte deutsche Uebersetzung. In erster Auflage herausgegeben von weil. Prof. Dr. F. Neelsen.) Zweite Auflage bearbeitet von Dr. Ernst Gaupp, a.o. Professor in Freiburg i.Br.« Stuttgart Verlag von Ferdinand Enke 1901.
- Titelblatt, S. III - S. XII
Vorrede., S. XIII - S. XIV
Inhalts-Uebersicht., S. 1 - S. 10
Erste Vorlesung., S. 11 - S. 25
Zweite Vorlesung., S. 26 - S. 35
Dritte Vorlesung., S. 36 - S. 46
Vierte Vorlesung., S. 47 - S. 53
Fünfte Vorlesung., S. 54 - S. 60
Sechste Vorlesung., S. 61 - S. 75
Siebente Vorlesung. Knochen der Hand; Handwurzel; Mittelhand und Finger. Maassverhältnisse der oberen Gliedmaasse; Index brachialis; egyptischer Kanon., S. 76 - S. 86
Achte Vorlesung., S. 87 - S. 98
Neunte Vorlesung., S. 99 - S. 109
Zehnte Vorlesung., S. 110 - S. 116
Elfte Vorlesung., S. 117 - S. 123
Zwölfte Vorlesung. Knochengerüst des Fusses: Fusswurzel, Mittelfuss; Zehen und Zehenglieder. - Maassverhältnisse der unteren Extremitäten; der Fuss als Maasseinheit., S. 124 - S. 130
Dreizehnte Vorlesung., S. 131 - S. 146
Vierzehnte Vorlesung., Zweite Abtheilung. (Muskeln und Bewegungen.) S. 147 - S. 158
Fünfzehnte Vorlesung,, S. 159 - S. 166
Sechzehnte Vorlesung., S. 167 - S. 173
Siebzehnte Vorlesung., S. 174 - S. 180
Achtzehnte Vorlesung., S. 181 - S. 191
Neunzehnte Vorlesung., S. 192 - S. 197
Zwanzigste Vorlesung., S. 198 - S. 211
Einundzwanzigste Vorlesung., S. 212 - S. 223
Zweiundzwanzigste Vorlesung., S. 224 - S. 230
Dreiundzwanzigste Vorlesung., S. 231 - S. 244
Vierundzwanzigste Vorlesung. Kopfmuskeln. - Kaumuskeln. - Muskeln des Ausdrucks; geschichtliche Darstellung (Leonardo da Vinci, Humbert de Superville, Ducenne und Darwin)., S. 245 - S. 266
Fünfundzwanzigste Vorlesung., S. 267 - S. 274
Sach- und Namen-Register..
Literatur: »Archiv Biographique Français.« Tome 367, S. 355; Gerlach 1990, S. 31 ff, 35, 37, 143, 236*, 238.
Exemplar: ZB MED - Informationszentrum Lebenswissenschaften
› digital.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 07.2019.