Kommentar
Das Werk des Jean
Cousin le Jeune [* um 1522/25 Sens - † 1595] von 1593 wurde im Laufe des XVII. Jahrhunderts fünfmal (1603, 1608, 1635, 1656, 1685), im XVIII. Jahrhundert sechsmal (1750, ca.1768, 1771, 1778, 1788, 1790) und dann wieder 1802 und 1821 aufgelegt.
Bezeichnenderweise ist in dem von H. Zerner verfaßten, 1999 erschienene Artikel im »Allgemeinen Künstlerlexikon« von einem Werk diesen Titels nirgends die Rede. Damit stellte er sich in eine bezeichnende deutsche Tradition der Cousin-Rezeption.
Cousins Werk blieb indessen aus verschiedenen Gründen Bezugs- und Ausgangspunkt aller französischen Proportionstheorien, wenn auch seine Maßeinheit, die Gesichtslänge zu drei Nasenlängen, auch dort nicht einmal besonders häufige Anwendung fand. Gerne wird es gegen Dürer ausgespielt: Dieser sei in seiner Vielfalt der Typen zu verwirrend, lautete der stereotype Vorwurf. Cousin hingegen sei ob seiner Klarheit der maßgebliche, aktuell vorbildliche Autor hieß es noch gegen Mitte des XIX. Jahrhunderts. Vor allem für den akademischen Unterricht wurde er wärmstens empfohlen. Doch die Vielzahl der auch in Frankreich erschienen neuen Anleitungen und Proportionslehren sprechen eher gegen diese Empfehlung. Es bleibt also noch zu ergründen, was denn an Cousins Buch so viel aufmerksames Lob immer wieder hervorrief.
Von Dürers Proportionsbuch unterschied es sich durch die intergrierte Abhandlung zur Proportionslehre, der Osteologie, der Myologie und der Lehre von den perspektivischen Verkürzungen. Die in der vorliegenden Ausgabe angehängten zwei Tafeln mit Proportionen von antiken Statuen sind eine Zugabe, die erst nach den Vermessungen durch Poussin und Errard möglich wurde. Aufschlußreich ist der Vergleich mit der Ausgabe von > 1768. Die Zusammenfassung von mehreren Teildarstellungen dort auf einer Tafel (teils seitenverkehrt, teils seitengleich, aber mit vertauschter Reihenfolge) zeigt - besonders auf den ersten beiden Tafeln -, daß die Konstruktion aus elementaren geometrischen Figuren zu dieser Zeit eine zeitgemäße Zugabe gewesen zu sein scheint, die nach der Revolution zugunsten einer romatisierenden Wiederholung der Holzschnittreproduktion aufgegeben wurde.
Bibliographie
Titel:
»L'Art de dessiner, par Jean Cousin; revu, corrigé, et augmenté de plusieurs morceaux d′apres l′antique, avec leurs mesures & Propotions; d′une Description exacte des Os & Muscles du Corps humain, & de leurs offices & usages; avec une Instruction facile pour apprendre à dessiner toutes ces Figures, selon les différens aspects qu′elles peuvent avoir.« Paris [1593] A Paris. Chez Jaques-François Chereau, rue des Mathurins, aux deux Piliers d′or. An X de la République.
Literatur: »Nouveau Biographie General.« Vol. 12, 1855, S. 251 - 252; Gerlach 1990, S. 9, 29, 31, 32, 36, 131, 200*, 205, 211, 219, 225, 228, 233, 237 - 243, 245; H. Zerner, "Cousin, 2. Jean le fils." In: »Allgemeines Künstlerlexikon.« Bd. 22, 1999, S. 3 - 5.
Exemplar: Microfiche, Leopoldo Cicognara Program der Univ. of. Ill. Library, Urbana - Ill. 1988; Heidelberg, Univ. Bibliothek: 1788
> digital; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert o6.2019.