Kommentar
Das Werk des Jean Cousin le Jeune (* um 1522/25 Sens - † 1595) von 1560 wurde im Laufe des XVII. Jahrhunderts fünfmal (1603, 1608, 1635, 1647, 1656, 1685), im XVIII. Jahrhundert sechsmal (1750, ca. 1768, 1771, 1778, 1788, 1790) und dann wieder 1802 und 1821 aufgelegt. Bezeichnenderweise ist in dem von H. Zerner verfaßten, 1999 erschienene Artikel im »Allgemeinen Künstlerlexikon.« (Bd. 22, S. 3 - 5) von einem Werk diesen Titels nirgends die Rede. Damit stellte er sich in eine bezeichnende deutsche Tradition der Cousin-Rezeption.
Cousins Werk blieb indessen aus verschiedenen Gründen Bezugs- und Ausgangspunkt aller französischen Proportionstheorien, wenn auch seine Maßeinheit, die Gesichtslänge zu drei Nasenlängen, auch dort nicht einmal besonders häufige Anwendung fand. Gerne wurde es gegen Dürer ausgespielt: Dieser sei in seiner Vielfalt der Typen zu verwirrend, lautete der stereotype Vorwurf. Cousin hingegen sei ob seiner Klarheit der maßgebliche, aktuell vorbildliche Autor hieß es noch gegen Mitte des XIX. Jahrhunderts. Vor allem für den akademischen Unterricht wurde er wärmstens empfohlen. Doch die Vielzahl der auch in Frankreich erschienen neuen Anleitungen und Proportionslehren sprechen eher gegen diese Empfehlung. Es bleibt also noch zu ergründen, was denn an Cousins Buch so viel aufmerksames Lob immer wieder hervorrief.
Von Dürers Proportionsbuch unterschied es sich durch die intergrierte Abhandlung zur Proportionslehre, der Osteologie (1 Tafel), der Myologie (5 Tafeln) und der Lehre von den perspektivischen Verkürzungen (4 Tafeln und auf 6 jeweils als Zusatz). Die in der vorliegenden Ausgabe angehängten 2 Tafeln mit Proportionen von 4 antiken Statuen sind eine Zugabe, die erst nach den Vermessungen durch Poussin möglich wurde. Aufschlußreich ist der Vergleich mit der Ausgabe von 1802. Die Zusammenfassung von mehreren Teildarstellungen auf einer Tafel (teils seitenverkehrt, teils seitengleich, aber mit vertauschter Reihenfolge) zeigt - besonders auf den ersten beiden Tafeln, daß die Konstruktion aus elementaren geometrischen Figuren hier eine zeitgemäße Zugabe zu sein scheint. Dort wird die originale Holzschnittversion reproduziert, während hier die Crayontechnik den Tafeln eine ebenfalls modische Nuance verleiht.
Nur das mit "N°.1. (bis)" bezeichnete Titelblatt ist signiert: Unten rechts mit "Gravé par Petit." und links "Desiné par P. T. Le Clere". Nichts ist bisher über diesen Zeichner - P. T. Le Clere, Peintre, wie er ausdrücklich noch einmal in der Titelei bezeichnet wird - in Erfahrung zu bringen. Ob er tatsächlich mit dem Maler Pierre-Thomas Le Clerc, Schüler von Langrenée d.Ä., der um 1795/1796 von zwei datierten Gemälden her bekannt ist, identisch ist, scheint mehr als fraglich, wenn auch Gallimard (1880) ihn mit diesem identifizierte, indessen ohne auf die hier anderslautende Schreibweise hinzuweisen.
Bibliographie
Titel: »L′
Art Du Dessin Demontré D′Une Maniere Claire Et Precise Par Jean Cousin, Peintre Français: Revu Corrigé et augmentée d′aprés les Ouvrages de ce maître et les meilleurs éditions qui ayent paru jusqu′à ce jour; Par P. T. Le Clere Peintre. Contenant une description éxacte des Os, et des Muscles du Corps humain, et de leurs offices, les proportions de la figure et plusieurs éxemples, qui indiquent les moyens de la dessiner sous les différents aspects quelle présente, soit dévelopé ou bien vu en racourcy. Cet ouvrage contient aussi quelques dessins des principales figures antiques, mesurées selon la méthode des plus grands maîtres, tel que Léonard de Vinci, le Poussin &c.« A Paris, Chez Jacues-François Chereau, rue des Mathurins,, aux deux Piliers d′or. [
› ca.
1799].
- Vortitelblatt, Titelblatt, 2 Blätter
Au Lecteur., I Blatt
Extrait Dv Privilege Dv Roy., S. 1
Avertissement Touchant Les Lignes et Intersections qvi servent aux Figvres de ce Livre. - 71
Fin., 35 Kupferstich-Tafeln
b -
18.
Literatur: Nouveau Biographie General 12, 1855, S. 251 - 252; D. Guilmard, »Les maîtres ornamentiste.« Paris 1880, S. 264 - 265, no. 114; Gerlach 1990, S. 9, 29, 31, 32, 36, 131, 200°, 205, 211, 219, 225, 228, 233, 237 - 243, 245.
Exemplare: Paris, François Jollain, 1685: Heidelberg, Universitätsbibliothek
› digital; A Paris, Chez François Chereau, ruë S. Jacques, aux deux Piliers d'or, & au grand Saint Henri. M.DCC.LXXVIII. Avec privilege du Roi.
› digital; um 1799
digital; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.