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Prof. Dr. Peter Gerlach


 
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  »Proportions - Body - Live«
Sources - Concepts - Arguments
Theories of Human Proportions from 1576 to 1922
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    Filippo Baldinucci

    »Lettera«

    Livorno 1802.


    Baldinucci, Titel Baldinucci, S. 8

    S. 9 - 17

    Baldinucci, S. 9 Baldinucci, S. 10 Baldinucci, S. 11 Baldinucci, S. 12 Baldinucci, S. 13 Baldinucci, S. 14 Baldinucci, S. 15 Baldinucci, S. 16 Baldinucci, S. 17




    Kommentar
    Baldinuccis Mitteilungen in diesem als Brief angelegten Text eines Proportionssystems kennt vier modi.  Er weist sie indessen selber nicht als solche aus. Seine Umschreibungen (imperfetti/rusticali/goffe - meglior/ma non arriva al più bello - é quella della quale si sono serviti per ordinario i più eccellenti artefici - un altezza molto grande) klingen nachgerade unbeholfen deskriptiv. Keinerlei systematische Analogien lassen sich aus dieser Wortwahl herauslesen. Jede Gruppe verweist allenfalls wieder auf einen anderen Ähnlichkeitsbezug. Hieraus läßt sich entnehmen, daß die von Poussin in den 40er Jahren entwickelte Theorie von 3 modi  noch nicht, der ältere Vergleich mit der architektonischen Säulenordnung ihm nicht mehr geläufig oder angemessen erschienen sein dürfte.

    Die Gesichtslänge als Modul zu wählen erweckt den Anschein einer gewissen Exklusivität, ist doch dieser Modul weitaus seltener in der Literatur anzutreffen, als die seit Vitruv gängigere Kopflänge.

    Von überraschender Aktualität erscheint dagegen seine Festlegung der Körpermitte auf die Schambeinfuge. Der Nabel als Zentrum des Kosmos mit seiner gewichtige Symbolkraft bis weit ins XVII. Jahrhundert hinein scheint spur- und klaglos außer Kurs geraten. Der nur noch innerweltlich begründete Gravitationsschwerpunkt des menschlichen Körpers, naturwissenschaftlich und anschaulich unter Beweis gestellt (Borelli 1680), ist die neue Mitte, gleichsam die alte Lingam-Phallus Symbolik (Zentrum des Lebens, der Lebens- und Zeugungskraft) unter der Hand mit sich ziehend.

    Allenthalben schwärt eine latente sexuelle Konnotation: Die Unterteilung der Gesichtslänge in drei Nasen(längen), die Genitalregion als Zentrum. Sublimiert wird diese Konnotation indessen in dem hehren Jargon des jeweils gängigen Kunstdiskurses, nicht einmal im gewählten Vokabular wird unterschwellig diese optisch so augenscheinliche Assoziation anklingen lassen.

    Filippo Baldinucci (*1625 Florenz - 1696) studierte Bildhauerei, Malerei und Kupferstich in seinem Geburtsort. Ab 1665 wurde er gesuchter Berater für Sammler von Zeichnungen (Uffizien) und selber Sammler (heute im Louvre). Wenig später schrieb er Künstlerbiographien und verfasste Fachbücher zur Kunsttechnik.


    Bibliographie
    Baldinucci 1802, Bibliographie
    Titel: »Lettera di Filippo Baldinucci Intorno al modo di dar Proporzione alles Figure in Pittura e Scultura ec. Ora per la prima volta pubblicata.« Livorno Co'Tipi Bodoniani 1802. Presso Thommaso Masi e Compagno.
    - Titelblatt, S. 1 - 7 All′ Illustrissimo Signore Raffaelle Morghen, Untertitelblatt, S. 9 Illustriss. e Reverendiss. Sig. e Pad. mio Col. - S. 20 Umiliss. et Obbligatiss. Servit. Filippo Baldinucci.
    Literatur: S. Samek Ludovici, "Baldinucci, Filippo." In: »Biographia degli Italiani.« Tomo 5, 1963, S. 495 - 498; Gerlach 1990, S. 199 f*; A. Matteoli, "Baldinucci, Filippo." In: »Allgemeines Künstlerlexikon.« Bd. 6, 1992, S. 425 , 426 (1802).

    Exemplar: Santamonica Archiv / University of Illinois, Urbana-Champaign digital; Privatbesitz.
    © W. P. Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.



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