Kommentar
Prof. Otto Geyer (*1843 - † 1914 Berlin Charlottenburg) wurde nach einem Studium von 1859 bis 1863 an der Akademie und in Kopenhagen Professor der Kgl. Technischen Hochschule in Berlin. In dieser Funktion schrieb er ein kurzfristig erfolgreiches Werk, das bis zum Beginn des ersten Weltkrieges 3 Auflagen erlebte. In dem schwergewichtigen, reichbebilderte Buch werden sämtliche denkbaren Maßvergleiche vom Neugeborenen bis zum ausgewachsenen Menschen vorgetragen. Dabei spielt die bildende Kunst nur noch eine marginale Rolle. Beispielsweise auf Taf.14 wurden die Maße nach Leonoardo, Michelangelo und Schadow im Vergleich vorgestellt.
Sein Hauptaugenmerk legte er auf den Wachstumsprozess. Verfolgt man indessen die Teilungslinien von einer Altersstufe zur nächsten so stellt man rasch fest, daß sie keine signifikanten, äußerlich sichtbaren Teilungspunkte der Anatomie mehr gleichmäßig berühren, sondern allenfalls noch in deren näherer Umgebung vorbeilaufen.
Was nun aber ist der Erkenntnisgewinn? Die Größenentwicklung wird hinreichend anschaulich, die proportionalen Veränderungen sind unübersehbar. Aber dies gelingt nur auf Kosten der ansoluten und relativen Veränderung der Breite. Ein konstruktives Spiel wird vor uns ausgebreitet, das einerseits an Altbekanntes zurückgreift - so gleicht die Teilung des haarlosen Kopfes der bei › Cousin - andererseits erschienen die übrigen Vergleiche zwischen Putten oder Kindern nach Duquesnoy (Fiamingo) oder Schadow, die mit den Umrissen eines erwachsenen Mannes überblendet sind kaum von anschaulichem Wert.
Er entwickelt ein Konstruktionsverfahren, daß ganz anderen Zwecken dienlich sein könnte, als der künstlerischen Ausbildung. Das lehrt etwa die Taf. VIII, in der alle maßgleichen Teile des menschlichen Körpers nebeneinander gezeichnet sind. Das weist auf ergonomische Überlegungen hin, wie sie in der Maschinenindustrie angestellt wurden, um technisches Werkzeug bedienungsgerecht zu entwerfen zu können.
Bibliographie
Titel: »Der Mensch. Hand- und Lehrbuch der Masse, Knochen und Muskeln des menschlichen Körpers für Künstler, Architekten, Kunst-, Kunstgewerbe-, Handwerkerschulen und zum Selbstunterricht. Von Otto Geyer, Professor der Kgl. Technischen Hochschule zu Berlin. Mit 408 Abbildungen im Text und auf vierzehn Tafeln.« Stuttgart - Berlin - Leipzig [1890] Union deutsche Verlagsgesellschaft. 1904³
3. Aufl. Stuttgart, 1912; 5. Aufl. 1925.
- Titelblatt, S. 1 - S. 136, Abbildung 1 - Abbildung 408, Tafel I. - Tafel XIV.
Literatur: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 13, 1920, S. 510 - 511 (nennt diesen Titel nicht); Gerlach 1990, S. 31, 34, 35, 37, 38, 142, 241*, 246.
Exemplar: (1903) › nur suchen.
©; W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 07.2019.