Kommentar
Dr.med. Mathias-Marie Duval (* 1844 - † 1907) promovierte 1869 in Paris, wurde Prosektor an der Universität Straßburg, war Professor für Anatomie an der École supérieur des Beaux-Arts. 1885 erhielt er den Lehrstuhl für Histologie an der medizinischen Fakultät.
Er argumentiert als Anatom. Daher finden sich Bemerkungen zur Maßhaltigkeit einzelner Körperglieder zumeist gegen Ende der Kapitel (Vorlesungen) zu den entsprechenden Körperteilen.
Ausdrücklich vermerkt er in der 7. Vorlesung, daß die Vorstellung von einem Kanon, wie ihn die Ästhetik kennt, aus Sicht des Anatomen nicht bestätigt werden könne. Dennoch behandelt er beispielsweise den von Charles Blanc › 1860 beschriebenen ägyptischen Kanon. Hierbei dient ihm die Beschreibung der Anatomie des Armes als Vorgabe für die Erörterung sowohl des Klaftermaßes, des homo bene figuratus nach Vitruv/Leonardo, als auch die Länge des Mittelfingers zu der des ägyptischen proportionalen Maßsystems. Zudem verweist er auch in den anderen Vorlesungen auf die für diesen Teil ihm bekannte historische Diskussion um einen ästhetisch-künstlerischen Kanon.
Besonders ausführlich ging er auf den › Camper'schen Gesichtswinkel in der 14. Vorlesung ein.
Hier bot sich ihm Gelegenheit einerseits auf die Unklarheit der Angaben zu den Meßpunkten in der verschiedenen Proportionslehren hinzuweisen, als andererseits die Benutzung verschiedener Teilungen der ganzen Gestalt nach 7, 7½ oder 8 Kopflängen auf die korrespondierende unterschiedliche Länge der Beine zurückzuführen. Er verteidigte diese Wahl - am Beispiel antiker Skulturen aufgezeigt - damit, daß auch in der Natur diese Unterschiede vorkämen. Zur modalen Hierarchie, die in der Proportionstheorie mit der jeweiligen Wahl verbunden war, verlohr er kein Wort.
Somit scheint die Folgerung nahegelegt zu sein, die Natur selber richte sich nach derartiger Systematik, wiewohl anzunehmen ist, daß dort sicherlich auch alle denkbaren Zwischenwerte anfallen. Damit sei die Wahl irgendeines dieser von ihm angesprochnenen Proportionssysteme immer eine ästhetische Entscheidung gegen die natürliche Vielfalt. Davon aber kein Wort bei ihm, obwohl - oder gerade weil er eine Professur an der Pariser Akademie der bildenden Künste innehatte, als Anatom nämlich.
Bibliographie
Titel: »Grundriss der Anatomie für Künstler.« [Nouvelle Édition. Paris A. Quantin, Imprimeur−Éditeur 71 Rue Saint-Benoit. 1881] Herausgegeben von Prof. Dr. med. F. Neelsen Prosektor am Stadtkrankenhause und Lehrer der Anatomie an der Königlichen Kunst-Akademie zu Dresden. Autorisierte deutsche Uebersetzung. [Paris 1881] Stuttgart Verlag von Ferdinand Enke 1890.
- Titelblatt, S. 5 - S. 8 Preface., S. 9 - S. 20 Précis D′Anatomie, S. 21 - S. 328 Première Partie Squelette, Articulations, Proportions, S. 329 - S. 333 Table Alphabétique, S. 335 - S. 336 Table Analytique.
Literatur: »Archiv Biographique Français.« Tome 367, S. 355; Gerlach 1990, S. 31, 32, 33, 35, 37, 143, 236*, 238.
Exemplare: Royal College of Physicians London 1881 › digital; Stuttgart Verlag von Ferdinand Enke 1890. ›digital; Aachen, Institut für Kunstgeschichte, Sign.: IK 5895 (Ex libris: MAX HESSELBERG).
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.
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