Kommentar
Prof. Dr. med. Johann Friedrich Sigmund
Merkel unterzog die historischen Äußerungen zur Statue des
Laokoon, seinen Proportionen und seiner Anatomie einer kritischen Durchsicht und entdeckte einiges an Willkürlichkeiten.
Wie kaum anders zu erwarten, sind es vor allem die bei der Vermessung einer Statue sehr schwer und dann auch nur annähernd festzulegenden Meßpunkte zur Ermittlung der einzelnen Längenmaße dienlich. Aber auch der am häufigsten angesetzte Modul - die Höhe des Kopfes - stieß bei ihm auf wenig Gegenliebe. Vor allem legte er aus der Sicht eines Anatomen die Diskrepanz von Gestaltung des Kopfes, des zugehörigen Leibes und der Genitalien bei den beiden Söhnen des Laokoon klar:
1. Körper eines ca. 10jährigen mit Kopf eines 4½jährigen.
2. Erwachsener mit Kopf eines 7-8jährigen.
Wie schon Schadow 1834 bemerkt hatte, stünde der Kopf als Modul in zu deutlicher Abhängigkeit von der absoluten Körpergröße. Daher sei er als Modul eher ungeeignet und könne allenfalls als grober Richtwert dienen.
Aus dieser Einlassung wird deutlich, daß Merkel als ein Vertreter eines klassizistischen Naturalismus argumentierte, ohne indessen diese ästhetische Vorentscheidung selber zu benennen oder gar in sein kritisches Referat mit einzubeziehen. Immerhin kam er zu dem Schluß, daß in der Antike nach Augenmaß und Wirkungswahrscheinlichkeit gearbeitet wurde.
Herr Friedrich Siegmund Merkel (*1845 Nürberg - † 1919) hatte Medizin studiert. Er wurde nach der Promotion in Erlangen 1869 Prosektor der Anatomie in Göttingen und wurde - nach Stationen in Rostock (1872) und Königsberg (1883) - 1885 ordentlicher Professor der Anatomie in München. Sein Forschungsgebiet wurde der Einsatz des Mikroskopes und der Fotographie zur Forschung an den Hautnerven.
Bibliographie
Titel: „Fr. Merkel. Bemerkungen eines Anatomen über die Gruppe des Laokoon.“ In: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 11, Leipzig 1876, S. 353 - S. 362. I Figur, I Tafel.
Literatur: »Deutsches Biographisches Archiv.« 879,262 (1905); Gerlach 1990, S. 30, 36, 131, 234*.
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© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.