Kommentar
Das Werk von Paillot de Montabert (*12.06.1771 Troyes (Aube) - † 6.05.1849 Saint-Martin-ès-Vignes (Aube) ist die umfangreichste kunsttheoretische Schrift, die hier zu besprechen ist. Er lernte Malerei in Paris, stellte ab 1812 im Salon aus, erblindete indessen 1834. Zuvor hatte er bereits begonnen sich als Fachbuchautor zu etablieren.
Die Proportion der menschlichen Gestalt findet sich im 6. der insgesamt 9 Bände: Tome Sixième. "Dessin". Chapitre 225: "Considérations sur la Connaissance et la Pratique des Proportions Belles ou Caractéristiques de la Figure Humain." S. 83 - 93.
Was ihn als Erstes auszeichnet ist seine anthropometrisch orientierte Argumentation. Daher lobt und empfiehlt er Dürers Schrift, eine Rarität in der französischen Kunsttheorie, in der meist dessen Variantenreichtum als verwirrend abgelehnt wurde. Paillot lobt nun aber genau diesen Reichtum. Den brauche jeder bildende Künstler für die Verschiedenartigkeit der jeweiligen bildnerischen Aufgaben.
Das erscheint im Geist eines biedermeierlichen, nachrevoloutionären Naturalismus gedacht. Doch weit gefehlt! Paillot schwärmte geradezu von der Konzeption eines "Archetypen", einem Urbild von absoluter - natürlich männlicher - Schönheit. Dieses nur könne heute die Stellung einnehmen, die einmal der Kanon des Polyklet eingenommen habe: eine Musterstatue ohne Fehl und Tadel. Ohne Charakter, ohne Alter, ein Adam ohne Eigenschaften sollte er sein, ohne Gestik oder Mimik, bewegungslos verharrend: "le beau absolu vers lequel l'ame cherche à s'élever et auquel elle tend à s'unir." Nicht besser hätte er den bürgerlich romantischen Traum von Urzeit und Urbild imaginieren können, den Rochet (› 1877) - immerhin mit einer Jane nach dem Sündenfall an seiner Seite - dann eine Generation später noch einmal öffentlich vorträumt. Dort aber hat er schon die Umgebung des sattsam bekannten Tarzans zugedacht bekommen.
Bibliographie
Titel:
»Traité complet de la peinture par M. Paillot de Montabert.« Tome Premier. Paris, J.-F. Delion, Libraire, Quai des Augustins, n° 47. 1929-51.
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»Tome sixieme. Suite du Dessin. - Draperies.« Paris, J.-F. Delion, Libraire, Quai des Augustins, n° 47. - 1829-51. Chez Bossange Père, Libraire de S. A. R. M
gr. Le Duc D'Orléans, Rue de Richelieu, Nº 60. 1829 - 1851.
- Vortitelblatt, I Blatt Händleradresse, Titelblatt, I Blatt Untertitel, S. 3 - S. 567 Text, Blatt I - Blatt XVII
Table du Sixième Volume.
Literatur: »Archiv Biographique Français.« Tome 803, S. 236 - 239; Anonym, „Paillot de Montabert, Jacque Nicolas.“ In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 26, 1932, S. 147; Gerlach 1990, S. 33, 47, 48 f, 143, 211*; Claire Barbillon, „Type et archétype dans la théorie des proportions de Paillot de Montabert.“ In: »Jacques-Nicolas Paillot de Montabert, 1771 - 1849, idées, pratiques, contextes; actes du colloque international organisé par le Centre d'Études et de Recherche en Histoire culturelle (CERHIC) de l'Université de Reims Champagne-Ardenne et La Maison du Patrimoine de l'Agglomération Troyenne à Troyes et à Saint-Julien-les-Villas les 4 et 5 mai 2007, textes réunis par Frédérique Desbuissons.« Langres 2009, S. 155 - 170.
Exemplar: Paris, Bibliotheque national de France
› digital; Tomo sixieme
› Bd. 6; Planches › latigid; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 1999 revidiert 06.2019