Kommentar
Waren in der ersten Auflage des Buches von
> 1707 nur einzelne Teile menschlicher Gestalt in ihren proportionalen Grössen vorgestellt worden, sind in dieser Übersetzung zwei Tafeln eingefügt worden, auf denen je eine männliche und eine weibliche Gestalt vorgestellt wird. Die Körperhöhe wird in beiden Fällen einem Schema untergeordnet, das vier Querteilungen in der Gesamthöhe vorsieht (A. B. C. D.). Die am rechten Rande auf einer senkrechten Linie eingetragene Feinteilung von 7½ Einheiten entsprecht der Kopfhöhe zu je vier Teileinheiten (a b c d). Sie entsprechen der Nasenlänge.
Damit sind hierin, was auch im Text (S. 24 - 29) seine Bestätigung findet, rein konstruktive Anleitungen vorgegeben. Sie haben also mit einem lebenden Modell nichts gemein. Wenn auch der Autor betont, daß er die Maße am Skelett eines Toten bei dem Mediziner Bidlo (Amsterdam 1685, Taf. 87) ermittelt habe, sind mit diesen beiden Schemata Anweisungungen zur Konstruktion einer Projektion einer menschlichen Figur auf der Ebene vorgestellt. Eine Modifikation je nach Alter, Geschlecht oder Konstitution bedarf entsprechender Anpassung, betont der Autor im Text:
„Sollte mir nun jemand einwenden, daß, weil es dreyerley Gattungen des Alters, nehmlich jung, mittelmäßig und alt, auch jedes von unterschiedener Bewegung, Farbe, Dicke und Maaß gebe; so falle eben schwer, aus derselben eine für die vollkommenste zu erwählen. Dem antworte ich, daß sie alle dreye, jedes nach seiner Art, ebenfalls schön erwählet werden müssen. Die jungen mageren, manierlich und frisch; die im Mittelalter, stark, sittsam und fleischicht: und die Alten schlapp, träge und ausgezehret. Ein jedes hat solche Beschaffenheiten, welche ihrem Alter nicht zuwider, sondern dazu schicklich sind. Denn gleich wie man sagt, das ist ein schöner Jüngling: also spricht man auch: siehe das ist ein schöner und wackerer Kerl; [...].“
Der nachfolgende Verweis auf die Abbildungen antiker Statuen von Perrier (1638) macht einmal mehr deutlich, wie restriktiv das zulässige Repertoire an darstellungswürdigen Menschfiguren gesehen wurde.
Bibliographie
Titel:
»Großes Mahler=Buch worinnen die Mahlerey nach allen ihren Theilen gründlich gelehret, durch vernünftige Raisonnements über Gemählde erklärt, und aus den besten Kunststücken der alten und neuen berühmtesten Mahler in Kupferstichen deutlich dargestellt wird. Von Gerhard Lairesse Kunstmahler. Erster Band erstes und zweytes Buch mit 14. Kupfertafeln. Neue mit der Urschrift verglichene Ausgabe.« Nürnberg, bey Chr. Weigel und Adam Gottl. Schneider, Kunst- und Buchhändlern. 1784.
1. - 2. Buch: Frontispiz, Titelblatt, IV Blätter
Vorrede, S. 1
Einleitung zu diesem Werke an die Künstler.- 180
Ende, des ersten Bandes., in den Text eingefügt: unnumm. und unsignierte Kupfertafel I - XIV.
Literatur: M. D. Henkel, "Lairesse, Gerard de." In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 22, 1928, S 233-237; Kauffmann 1960, S. 30; Gerlach 1990, S. 31, 42, 237; Demoris, "Le Sueur et la théorie de son temps: Abraham Bosse et Hilaire Lairesse." In: Jean Serroy - Alain Mérot, »Littérature et peinture au temps de Le Sueur.« Grenoble 2003, S. 25 - 34; Gerard (de) Lairesse (ook Gérard de Lairesse) in:
› RKD.
Exemplare: Heidelberg, Univ. Bibliothek:
> digital; Prag 1776
> digital: ohne Tafeln.
© W.P. Gerlach 12.10.2011, revidiert 06.2019.