Kommentar
Der Generalsteuereinnehmer in Orléans - Claude Henri
Watelet - wurde 1718 in Paris geboren. Er starb dort 1786. Als Kunstdilettant, Sammler und Schriftsteller veröffentlichte er 1760 das vorliegende Buch. Die beiden Tafeln lieferte ihm der Amsterdamer Graphiker Nicolaas van Frankendaal (*1720 Amsterdam - † 1791 Amsterdam) als seitenverkehrte Kopien nach Audran. Die Beschränkung ist insofern bemerkenswert, als die Auswahl einer Abbildung gerade dieser beiden antiken Statuen als Muster für wohlproportionierte menschliche Gestalten bezeichnend für die zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts wurde. Der sogen.
Antinoos vom Belvedere neben der
Venus Medici verkörpern wie keine anderen antiken Statuen ein Ideal von Jugendlichkeit, das erst zu Beginn des XIX. Jahrhunderts durch ein kindlicheres Ideal ergänzt, wenn nicht gar ersetzt wurde.
Die Spekulation sei erlaubt, daß die Wahl dieser beiden Statuen auch autobiographische Anspielungen vermuten läßt: Watelet hatte das Erbe seines Vaters im Alter von zweiundzwanzig Jahren angetreten, welches ihm ein sorgenfreies, müßiges Leben ermöglichte. Als "jeune homme à la fleur de son âge, & dont l'education efféminée n'a pas permis aux fatigues & aux exercices violens le soin de développer entiérement les ressorts." (S. 79), wie er - durchaus konventionell - den Antinoos umschrieb, trifft es zwanzig Jahre später nicht mehr ganz die eigene Person, aber doch ein beträchtliches Stück biographischer Erfahrung. Und die Venus Medici mag für Mme. Marguerite Lecomte stehen, die seine Freundin und Reisebegleiterin war.
Im Alter von 28 Jahren war er Honoraire-associé libre der königlichen Akademie der Malerei und Bildhauerei und Honoraire-amateur geworden. Einzig steht er indessen mit seinem wiederholten Hinweis auf Dürer da, dessen Proportionslehre er neben Lomazzo und Leonardo dem näher interessierten Künstler empfahl, da er selber nur für gens du monde schriebe.
Das Buch hatte Winckelmanns Entsetzen und harsche Kritik herausgefordert. Als sie sich dann in Rom kennenlernten bemühte sich Winckelmann dem willigen Dilettanten einige Kenntnisse in der Differenzierung modaler Proportionierung - z.B. des Fauns der Villa Albani - zu vermitteln. Mit Erfolg. Watelets Artikel in dem von ihm mitverfassten › »Dictionnaire« fallen entsprechend modifizierter aus.
Bibliographie
Titel: »L′
Art de Peindre, Poëme avec réflections sur les différentes parties de la Peinture. Par M. Watelet, Associé libre de l′Académie Royale de Peinture & de Sculpture.« A Paris, De l′Imprimerie de H. L. Guerin & L. F. Delatour, rue Saint Jacques, à Saint Thomas d′Aquin. M. DCC. LX.
-Vortitelblatt, Frontispiz, Titelblatt, S. V - VII
Epitre., S. IX - XIV
Duscours Preliminaire., S. XV - XVJ
Table., XVII - XIX
Explication, I Blatt Zwischentitel, 141 SS. mit 22 Abbildungen. S. 142
Approbation, S. 143 - 144
Arrest Du Conseil D′Etat Du Roi.;
«Nouvelle Edition, Augmentée de deux Poëmes sur l'Art de Peindre, de Mr. C. A. Du Fresnoy & de Mr. l'Abbé de Marsy.» A Amsterdam, aux dépens de la Compagnie, M D C CLXI.
Literatur: Gerlach 1990, S. 28, 31, 92, 119, 121, 129, 147, 149 ff, 185*, 203, 211, 233; The Dictionnary of Art, vol. 32, 1996, S. 897 - 898 (Literatur bis 1965).
Exemplare: München, Bayer. Staatsbib. 1760
› digital; Amsterdam 1761
› digital; Privatbesitz, Vorbesitz: Le Comte Joseph de Salm-Dyck.