Kommentar
Lichtenstegers Veröffentlichung verdient aus folgenden Gründen besondere Beachtung: Dieser Kupferstecher und Kunsthändler aus
Nürnberg (*13.01.1700 Wörd - † 18.03.1781) bemerkt, daß er zwischen zwei Weltvorstellungen gefangen sei. Von der älteren, an die er unbeirrbar glaubt (Mikro-Makrokosmos Analogien, musikalische Harmonie, Zitate nach den Autoritäten Bibel, Kirchenvater Ambrosium, Varro und Vitruv, Cornelius Agrippa), kann er sich nicht trennen. Von einer neuen ist er durch ständigen Zweifel an Angelesenem überzeugt. Er führt sie auch ansatzweise aus (Antropometrie mit absolutem Maßstab: dem Rheinl. Zoll), ohne jedoch über die Zeit und die Gelegenheit zu verfügen, sie konsequent mit verschiedenen Berechnungsarten ganz durchzuspielen. Seiner Überzeugung nach
"... stecken auch in der Proportion die Maximen, nach welcher sich die Seele in Beurtheilung der Schönheit und Annehmlichkeit einer Sache richtet."
Zur rechnerischen Demonstration und geometrischen Konstruktion nutzte er eine mittlere Proportionierung. Diese hatte er an einem Skelett ausgemessen. Er schrieb indessen nichts darüber, ob er sich über den Begriff von der mittleren Größe der Sache oder dem Inhalt nach im Klaren gewesen ist. Alles legt er an den Proportionen eines jungen Mannes dar. Frau und Kind werden von ihm nicht abgehandelt. Er kündigte dazu eine gesonderte, ergänzende Abhandlung an. Die aber kam nie zustande.
Bibliographie
Titel: »
Die aus der Arithmetic und Geometrie heraus geholten Gründe zur Menschlichen Proportion an das Licht gestellet und verlegt durch Georg Lichtensteger Kupferstecher in Nürnberg.« Nürnberg, Gedruckt bey Johann Joseph Fleischmann, 1746.
- Titelblatt, Iv Blatt
Vorrede, S. 1
Cap. I. Von dem Ursprung der Proportion. - 24
Wie die aus dem Circul die menschliche Proportion gefunden wird., Tab. I - XIV.
Literatur: Anonym, "Lichtensteger, Georg." In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 23, 1929, S. 192; Tanner 1981, S. 44, 429; Gerlach 1999, S. 15, 16, 24, 28, 31, 119, 143, 144, 146, 181*, 203, 225, 231, 233, 237.
Exemplar: Bamberg, Staatsbib.
› digital; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.