Kommentar
First edition 1851 and the rarest of Hay′s books. The Scot David Ramsay Hay FRSE (*03.1798 Edinburgh - † 10.09.1866) is best known through his many books on colour theory. He was a successful house decorator, counting Sir Walter Scott and Queen Victoria amongst his clients. Here he tackles with much gusto and energy the age old problem of proportion. His system of proportion is based upon the harmonic ratios of the diatonic scale: ′the eye is influenced, in its estimations of spaces, by a simplicity of proportions similar to that which guides the ear in its appreciation of sounds′. ′The basis of the present theory, therefore, simply is, that a figure is pleasing to the eye in the same degree as its fundamental angles bear to each other the same proportions that the vibrations bear to one another in the common chord of music′. The plates are ′representing geometric constructions and illustrations of the male and female skeletons, and muscle manikins, with the lines of proportion, after Hay′s system. They are all drawn by the author and beautifully engraved by W. Forrest.
Des Mr. Hays Arbeit ließe sich durchaus eine frühe konstruktivistische Schrift nennen, da er auf geometrischen Elementarformen sein ganzes Entwurfsprogramm aufbaut. Weil er aber nicht primär diesen konstruktiven Ansatz betont, sondern vom symbolischen Gewicht - den platonischen Elementen des Kosmos - aus argumentiert, haben wir es hier mit einer Variante der für diesen spätklassizistischen Ansatz - auch bei anderen Autoren dieser Zeit, etwa Carus und Zeising - charakteristischen Suche nach den Urformen zu tun, einem Modewort seit der Zeit Goethes.
Seine Konstruktionsanweisungen bleiben indessen so abstrakt und auch komplex, daß sie kaum für eine künstlerische Praxis geeignet erscheinen. Hier wird deutlich, wie das Fortschreiten in einer anthropometrischen Genauigkeit ebenso zur Unanschaulichkeit und dem Verlust an sinnlicher Unmittelbarkeit führte, wie die anthropologische Statistik mit ihren umfänglichen Zahlenkolonnen auf der anderen Seite. Sicherlich ein amüsantes intellektuelles Spiel, aber wohl kaum eines, daß den zeitgenössischen Bedürfnissen von angehenden freien Künstlern entsprochen haben wird, eher wiederum denen von Entwerfern, die für den Entwurf von industriellen Produkten ausgebildet sein sollten.
Selbst der abschließende Apell an archäologisch-philologische Bedeutung der Rekonstuktion des griechischen Schönheitsideals und die diesem zugrunde liegende Rationalität bringen diesen Ansatz kaum der Kunst näher - übersieht man einmal geflissentlich den Irrtum von der Klappsymmetrie der Köpfe griechischer Statuen.
Wie modern-vertraut dennoch manche seiner Tafeln erscheinen wird jeder nachvollziehen können, der vektorbasierte Entwürfe von virtuellen elektronischen Geschöpfen in letzter Zeit gesehen hat.
Bibliographie
Titel:
»The Geometric Beauty of the Human Figure defined, to which is prefixed a System of Aesthetic Proportion applicable to Architecture and the other Formative Arts. By D. R. Hay, F.R.S.E.« Part II. William Blackwood and Sons, Edinburgh and London M D C C C L I. XIV.
- Vortitelblatt, I Blatt Druckeradresse, S. VII - S. VIII
Contents., Titelblatt, I Blatt Widmung, S. IX - S. XIV
Preface, S. 1
Part I. - S. 50
„... to a female of 5 feet 7½ inches.“, S. 52 - S. 62
Appendix, S. 63 - S. 68
Notes, Plate I. - VII.
Inhaltsgleich mit Hay
› 1849, hier aber - wie im Titel ausgewiesen - um einen Abschnitt zur Architektur und zum Kunsthandwerk erweitert.
Literatur: Stratz (1898) 7. Aufl. 1900, S. 37; Anonym, "Hay, David Ramsay." In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 16, 1923, S. 168 - 169; Dobai Bd. III, 1977, S. 1213 (geht nicht weiter auf diesen Titel ein); Gerlach 1990, S. 32, 38, 96, 221*.
Exemplar: Oxford University, Bodleian Library
digital; Privatbesitz.
© w.p. gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.