Kommentar
Zuerst erschien
Hogarth’
Analyse der Schönheit im Jahre 1753 in London. Hogarth adaptierte die idealistisch orientierte italienische Kunsttheorie (z.B. Lomazzo) für seine pragmatischer orientierte Kunstauffassung. Auf den beiden großen beigefügten Tafeln bildete er alle jene Kunstprodukte von der Antike bis zur Gegenwart ab, an denen er sein Leitprinzip darlegen konnte. Dieses lautet:
natürliche Lebendigkeit.
Die künstlerrische Simulation des Lebendigen wurde bereits im XVI. Jahrhundert unter der Kunstfigur der serpentinata, einer s-förmigen Schlangenlinie diskutiert und seit Michelangelos Doni Madonna in Kunstwerken umgesetzt.
Proportionen von Lebewesen und produzierten Gegenständen hätten zwar nichts mit musikalischen Harmonien zu tun, aber angemessen ("fit") müsse sie für die jeweilige Darstellungsaufgabe ausgewählt sein. An den vorbildlichen antiken Statuen (Antinous vom Belvedere, Venus Medici und Apoll vom Belvedere) erklärte er den gratiös wirkenden Zusammenklang von Abmessung und gestaltetem Kontour, der von der "line of grace" bestimmt sei.
Hogarth nun erläuterte - gegen alle zeitgenössischen Versuche bewegte Tiere und Menschen als Automaten zu konstruieren - den prinzipiellen Unterschied, der zwischen einem solchen Automaten und jeglichem lebendigen Wesen besteht. Für ihn ist das enge Aufeinanderliegen der Schichten - etwa von Haut, Muskeln und Knochen - der entscheidende Faktor beim lebendigen Organismus. Diese Schichten seien nun in der Gestalt der line of beauty, wie er die serpentinata umbenannt hatte, vorzufinden.
In der kunstpraktischen Anwendung dieses Prinzipes erreiche man im Kunstwerk, aber auch in gestalteten Gegenständen des täglichen Gebrauchs (Möbel) die line of grace, wie sie bereits in antiken Statuen aufzuweisen sei.
Bibliographie
William Hogarth (*1697 - † 1764),
»Analysis of Beauty. Writen with a view of fixing the fluctuating Ideas of Taste.« London 1753. 2 Taf.; 1772. 1810. 1812.
Titel:
«Analyse de la Beauté, destinée a fixer les Idées vagues qu′on a du Gout; Traduite de l′Anglais de Guillaume Hogarth; Précédée de la Vie de ce Peintre, et suivie d′une Notice chronologique, historique et critique de tous ses ouvrags de peinture et de gravure, avec deux grandes Planches. Tome Premier.» A Paris, Chez l′Auteur, rue Cassette, N.° 832; Levrault, Schoell et Compagnie, rue de Seine, Faubourg St.-Germain, N.° 1395. An XIII.
2 vol., 8°, XVI, S. 1 - 495, 2 Taf., S. 1 - 410.
- 1805. - Vortitelblatt, Titelblatt, S. 3 - 32
Vie de Guillaume Hogarth, S. 33 Zwischentitelblatt, S. 35 - 73
Introduction, S. 75 - 249
Analyse de la Beauté, S. 251 Zwischentitelblatt, S. 253 - 495
Notice chronologique, de tous les Ouvrages de G. Hogarth.
Proportion: Chap. 11 ff, S. 76 - 94; Chap. XI, S. 144 ff: Des Proportions.
Physiognomik: Chap. 15, II (Character and passion): Bedeutung der line of beauty in der Gestalt des Gesichts, wenn denn ein Gesicht ein Spiegel der Seele sei.
Ital. »L'analisi della Bellezza éd é scritta col disegno di fissar l' Idee vaghe del Gusto.« Livorno, Frantechi, 1761, 2 Taf.
Bibliographischer Nachweis: BM 105, S. 281; Cicognara 1059; Cat.Gen 72, S. 1044: Paris, l'auteur, par Hendrik Jansen.
Literatur: siehe Hogarth 1753. Engel 1785, S. 141; Wunderlich 1911, S. 136; Rogerson 1953, S. 76; Allentuck 1955, S. 107 (Illustrierte Clubbe 1763); Dobai 1975, II, S. 639 - 717; Tytler 1982, S. 51; Wechsler 1982, S. 180, Anm. 14 (Bezug zu Lomazzo, Parsons); Price 1983, S. 2 (Übernahme von Lichtenberg in Marriage à la mode); West 1990 (Einfluß von Parsons 1746, dessen Katalog der Passionen sich an der Historienmalerei orientiert); Peter Gerlach, "Zur zeichnerischen Simulation von natürlicher Lebendigkeit." In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. Bd. 34.2, 1989, S. 243 - 279, Abb. (Zu einer italienischen kommentierten Übersetzung des Oliverius von 1750: "L'Arte della Pittura di Carlo Alfonso du Fresnoy. Aggiuntovi alcune necessarie et amplissime osservazioni ...".); Gerlach 1990, S. 9, 22, 99 - 116, 129, 137, 146, 182*, 210, 217, 243; Getrevi 1991, S. 106 - 110, 136; Kirchner 1991, S. 91 (verweist auf Le Brun); Montagu 1994, S. 85 (Verweis auf Le Brun: the common drawing-book), 210, Anm. 29 (Stich mit 4 Köpfen nach Raphael); Caroli 1995, S. 137 - 142, 144, 178, Anm. 9, 265, 266; Magli 1995, S. 233 (Vorbild: Parsons 1747, mechanistische Geometrie hilft nicht zur Erfassung der Bewegungen des Gesichts, die vielfältigen, nicht maßhaltigen menschlichen Ausdrucksformen können nur durch modifizierte ästhetische Verfahren erfaßt werden); Lorandi 1996, S. 23 - 24, Nr. 20, Abb. Taf. I, S. 22, Taf. II, S.23 (Livorno 1761); Salsi in: Caroli 1998, S. 372, Abb. Tav. 1.
Exemplar: München , Bayer. Staatsbibliothek › digital; Privatbesitz (Exlibris:"IVLII EQV SCHLOSSER PHIL DOCT").
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.