Kommentar
Geht man von der Annahme aus, daß sich in der gedruckten Kunstlehre und -theorie die Praxis und Erfahrung, aber auch ästhetische Ideale zusammengefaßt und auf den versuchsweisen Begriff gebracht wurden, die annähernd eine Generation bereits in der künstlerischen Praxis erprobt und angewandt wurden, dann finden sich in dem Text von
Dandré-Bardon (* 1700 Aix-en-Provence - † 1783 Paris, Maler, ab 1752 Professur an der
Academie Royal) einige bemerkenswerte Anhaltspunkte zu Vorstellungen von Kunst in der Mitte des XVIII. Jahrhunderts.
Er betonte ein männliches Jugendlichkeitsideal: In der sogenannten Ildefonsogruppe, Castor und Pollux bei einem Opfer darstellend, und in der Statue des sogenannten Antinous vom Belvedere sah er dieses Ideal vorbildlich ausgeführt - ohne sie jedoch abzubilden.
Mit diesem Urteil stand er indessen keineswegs alleine. Beide Statuen wurden bereits im XVI. und XVII. Jahrhundert von zahlreichen Zeichnern festgehalten. Und seit Audrans Stichen von > 1683 gehörten sie zum feststehenden Repertoire auch der Proportionslehren. Meist sind sie aber gerade gegen andere Musterfälle abgegrenzt. Die Venus Medici, der Herkules Farnese, der Laokoon, der Apoll vom Belvedere sind u. a. ihnen als alternative Modi gegenübergestellt.
Obwohl nicht ausgesprochen lag dieser Reihe das drei Modi-Schema des XVII. Jahrhunderts zugrunde, wie wohl hier keine Mitte, kein mittlerer (Durchschnitts-)Wert mehr auszumachen war. Die drei männlichen Muster stehen für drei Lebensalter, drei Stufen reifer Männlichkeit, die je in sich gleichwertig sind. Das Problem, das sich im XVII. Jahrhundert und dann wieder am Ende des XVIII. und im XIX. Jahrhundert stellte, ist der charakterlose ideale Mittelwert, zu dem die beiden anderen nur beispielhaft mögliche Varianten bezeichnen konnten.
Bibliographie
Titel: »Traité de Peinture, suivi d′un Essai sur la Sculpture. Pour servir d′Introduction à une Histoire Universelle, relative à ces Beaux-Arts. Par M. Dandré Bardon, l′un des Professeurs de l′Académie Royale de Peinture & de Sculpture. Professeur des Eleves protégés par le Roi pour l′Histoire,, la Fable & la Géographie. Membre de l′Académie des Belles-Lettres établie à Marseille, Associé aux Académies de Toulouse & de Rouen, & Directeur Perpétuel de celle de Peinture & de Sculpture établie en la susdite ville de Marseille.« A Paris, Chez Desaint, Libraire, rue Saint Jean de Beauvais. M. DCC. LXV.
- Titelblatt, S. iii Epitre. - vj, S. vij Avis de l′Éditeur. - xv, S. xvj Table des Divisions Du Traité de Peinture. - xix, S. xx Table II. Partie. Composition. - xxvj Fin de la Table des Divisions., S. xxvij Discours Préliminaire - lx „... heureusement inspirée., S. 1 Traité de Peinture. Premiere Partie. Dessein. Qualités du Dessein. - 325 Fin du Tome premier. Essai sur la Sculpture (...). Tome Second. M. DCC. LXV. - Titelblatt, S. j - iij Avertissement.- S. iv Table des Divisions De l′Essai sur la Sculpture. - viij Fin de la Table des Divisions., S. 1 Essai sur La Sculpture. - 227 Fin., S. 228 Table des Materies Contenues dans cet Ouvrage. - 246, S. 247 Table Alphabetique Des grands Peintres, Sculpteurs & Graveurs de l′Ecole Française. - 253 Fin des Tables, I Blatt Extrait des Registres de l′Académie Royale de Peinture & de Sculpture., I Blatt Approbation., IV Blätter Arrest du Conseil D′Etat Du Roi., I Blatt Fautes a Corriger.
Literatur: Gerlach 1990, S. 131, 147, 159, 187*, 231; J. Boyer, "Dandré-Bardon, Michel-Fançois." In: »Allgemeines Künstlerlexikon.« Bd. 24, 2000, S. 92.
Exemplare: München, Bayer. Staatsbibliothek › digital; Bibliothèque municipale de Lyon › digital; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019