Kommentar
Der Augsburger Maler und Kupferstecher Kilian fertigt gegen Mitte des XVIII. Jahrhunderts die Entwürfe für dieses Anleitungsbuch an, das der Augsburger Verleger Johann Martin Will herausgab.
Die einzelnen Blätter (hier noch ungeschnitten Blatt 1 und 2 auf einem Bogen vor dem Einbinden abgebildet) zeigen jeweils in mehreren Varianten Teile des menschlichen Körpers vom ersten, noch geometrischen Schema bis hin zur differenzierten plastischen Modulation durch feine Parallel- oder Kreuzschraffur.
Die erste zeichnerische Konstruktion nach einem geometrischen Schema dient der Festlegung des proportionalen Modus, die zweite der Modulation des erwünschten Ausdrucks, der auch bereits durch die Wahl der gewählten Perspektive mitbestimmt ist. Deutlich wird das auf dem Blatt 2 an den Augendarstellungen.
Links in der mittleren Reihe blickt das Auge nach oben. Diese Blickrichtung ist charakteristisch für die Darstellung der Bewunderung, der einfachen Liebe, wie sie › Le Brun in seiner Affekttheorie darstellte.
Damit läßt sich auch an diesem Beispiel belegen, daß in der Mitte des XVIII. Jahrhunderts die aus dem XV. Jahrhundert (Alberti) überlieferte Reihenfolge der kompositionellen Entscheidungen beibehalten wird: 1. Proportion, 2. Perspektive, 3. Umriß und 4. Hell-Dunkel führen zur zeichnerischen Definition eines spezifischen Affektes einer bestimmten Person.
Die Rocaille-Kartusche des Blattes 1 dient als üppige Rahmung des Titels. Ihre Form ist charakteristisch für die Zeit vor der Mitte des XVIII. Jahrhunderts.
Bibliographie
Philipp Andreas
Kilian [*28.10.1714 Augsburg - † 18.01.1759 Augsburg, Maler, Kupferstecher] - Johann Martin
Will [*1727 - † 1806, Kupferstecher, Verleger].
Titel: «
Der Jugend / kan dis Werck die Anfangs=/ Gründe zeigen, / wie man muß stuffenweis zur / edlen Kunst aufsteigen. / der Anfang wird damit zwar Gliederweis / gemacht, / biß endlich die Figur wird völlig / hergebracht. / Von Phil[ipp] Andr[eas] Kilian Reg[num] Maj[ajestatis] Pol[oniensis] et El[ectoratum] Sax[orum] Hoff=Kupfferstecher zu finden bey Johañ Martin Will in Augsburg.» (s.d., um 1750).
Blatt 1. gestochener Titel, bezeichnet oben Mitte: "1". Blatt 2. 6 paarweise Augendetails in verschiedenen Stellungen, bezeichnet oben re.: "2", bezeichnet unten links: "Ioh[ann] Martin Will excudit Aug[usta] Vind[indelicorum]", rechts: "Ph[ilipp] Andr[eas] Kilian exc[udit] A[ugusta] V[indelicorum]". Kupferstich, 141 x 165 mm / 363 x 232 mm. - Blatt 3 - 23 jeweils 2 Tafeln mit Details des menschlichen Körpers.
Literatur: Albert Hämmerle, "Kilian." In: Ulrich Thieme - Felix Becker (Hg.), »Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler.« Bd. 22, Leipzig 1927, S. 301 - 302; Anonym, "Will (Wille)". In: ebda., Bd. 36, Leipzig 1947, S. 7.
Exemplar: Heidelberg, Univ. Bibliothek
› digital; Privatbesitz.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 06.2019.