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Prof. Dr. Peter Gerlach


 
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  »Proportions - Body - Live«
Sources - Concepts - Arguments
Theories of Human Proportions from 1576 to 1922
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    W. Peter Gerlach




    Von einer historischen Fiktion zur prominenten Kunstfigur


    Erzählungen über Meinungen zu und Kopien von einer Statue der vatikanischen Antikensammlung

    Stories about Proposals on and Copies of a statue in the Vatican Collection of Antiquities







    Tafel 1 Rom, Vatikan, Cortile del Belvedere: Hermes – Typ Andros.







    Inhalt

    Vorwort  S. 4   Abb. 1 - 2

    Kap. I. Namensfindung  S. 7

    Kap. II. Wandelnder Zustand S. 29

    Kap. III De-Restaurierung S. 32

    Kap. IV. Ergänzte Kleinbronzen I S. 41

    Kap. V. Sprache der Antiquare/Lexika/Ort  S. 62 - 125

    Kap. VI. Kleine Güsse nach Duquesnoy  S. 126 - 149

    Kap. VII. Groß kopiert in Bronze oder Marmor  S. 150 - 215

    Kap. VIII. Gezeichnete Studien – Zeichnend studiert S. 216 - 248

    Kap. IX. Vermessene Haltung S. 249 - 310

    Kap. X. Angemessener Ausdruck  S. 311 - 361

    Kap. XI. Schlussfolgerung  S. 362 - 371

    Kap. XII. Literatur  S. 372 - 428

    A - Z

    Kap. XIII. Anmerkungen  S. 429 - 561

    Kap. XIV. Verzeichnis der Abbildungen  S. 562 - 564

    Kap. XV. Index  S. 565 - 587

       

    Vorwort


    Im Jahre 1543 fand ein römischer Weinbauer am nördlichen Abhang des vatikanischen Hügels in der vignea Horatius Pallini - dem Gelände zwischen dem heutigen Borgo Vittorio und der Via San Porcari - westlich der Engelsburg eine teilweise fragmentierte "statua marmorea perpulchra". Am 15. Februar 1543 erhielt der Finder, Nicolaus de Palis, eine beträchtliche Zahlung aus dem Etat des Vatikan nach dem Ankauf dieses Fundstücks.

    Somit wissen wir nicht mehr und nicht weniger, als daß eine Statue, die in dieser Vigna gefunden wurde unter Papst Paul III. (Alessandro Farnese, 1534 - 1549) für die Sammlung des Belvedere gegen Zahlung eines bemerkenswert hohen Betrages angekauft wurde. Das spricht für eine gut erhaltene Skulptur von größerer Seltenheit (Farbtafel 1, 1 a). 1

    Schon Michaelis - der erste, der es unternahm eine Geschichte der vatikanischen Sammlung zu schreiben, machte es sich nicht einfach, mit diesem Fund die Statue des lange so genannten »Antinous« vom Belvedere in Verbindung zubringen, weil Herkunft und Fundort aller übrigen Statuen dieser Sammlung weitaus besser dokumentiert oder zumindest belegbar waren. 2

    Doch Zweifel blieben: Denn zwei historische Belege widersprechen einander. "Sopra le terme Titiane uicino à santo Martino in monte furono gia le Terme di Traiano Imperatore, ouve poco fa furono ritovate du statue del fanciullo Antinoo molto amato di Adriano Imperatore, il quale fu di bellezza eccesiva stateui poste inanzi per commandamento di esso Adriano, tale che anchora hoggidi il detto luogo si chiama Adrianello. Le predette statue furono poste da Leone decimo nel Vaticano, cioè in Belvedere ..." vermeldete Andrea Fulvio 1513. Also zwei Antinous-Statuen waren bereits um 1513 gefunden und unter Papst Leo X. (1513 - 1521) in die vatikanische Sammlung verbracht worden. Von beiden Statuen wissen wir heute nicht, welche es gewesen sein könnten und ebenso wenig, wo sie sich wohl heute befinden mögen. Erst 200 Jahre danach berichtete Mercati: "Antinous Pauli III Pontificatu extra Urbem inventus est, in hortis propinquis moli Adriani Imperatoris, ubi nunc S. Angeli est Arx." 4

    Diese Notiz brachte Michaelis mit dem Zahlungsbeleg über die 1000 Golddukaten zusammen, da die Angaben zur Lage des Weingartens gut mit dem des Namens auf dem anderen Dokument zu vereinbaren erschienen. Wo auch immer die uns interessierende Statue hergekommen sein mag, jedenfalls belegt der Abgussauftrag des Primaticcio vom April 1545, daß ein Antinous "[...] in viridario S.D.N. Papa in loco Belvederis [...] statua Antinoi ibidem positi […].". Über den Verbleib dieses Abgusses ist nichts überliefert, der Guss für Fontainebleau wurde - im Gegensatz zu allen anderen gleichzeitig in Auftrag gegebenen - wohl nie ausgeführt. 6

    Die im Folgenden in zehn Kapiteln zu erzählenden Geschichten handeln von dem bemerkenswerten Vorgang, wie eine antike Statue zu ihrem fiktiven Namen kam - später dann, als sie längst ihre repräsentative Funktion in einer imperialen Gesellschaft an eine demokratisierte Rolle als somatisches Körperideal an beliebig austauschbare Modelle ausgehändigt hatte - selbst diesen aufgeben sollte, um in der Anonymität einer Vielzahl römischer Kopien unterzugehen.

    Es wird zu erzählen sein, wie das mehrfache Bemühen um eine angemessene Ergänzung doch immer nur ganz kurzfristig Bestand hatte. Dennoch kursierten im Süden bis später dann im ganzen nördlichen Europa in unterschiedlichen Zusammenhängen Formen der privaten wie auch öffentlichen Präsentation, in denen diese Statue - bis auf wenigen Ausnahmen immer in ergänzter Fassung - eine prominente Rolle zugewiesen bekam. Diese Rolle wurde ihr in der Ausbildung von Künstlern ebenso zugewiesen wie in der Ausstattung von privaten Sammlungen. Sie wurde zum Gegenstand früher wissenschaftlicher Bemühungen der Anthropometrie wie auch in der literarischer Formen des angemessenen Redens über Kunst. Diese ihr zugewiesenen und zugesprochenen Rollen hat sie im Laufe des XIX. Jahrhunderts abgeben müssen. Das damit Gemeinte einer für mustergültig befundenen Darstellung eines erotisch attraktiven jungen Mann von idealem Körperbau in einem idealen Alter, verbunden mit einer zeitlos erscheinenden seelischen Besonnen-, ja Versonnenheitshaltung, ist über die Selbstdarstellung junger Maler der Romantik und durch die Phantasie von Romanschreibern endlich in die Modewelt der Designer und Filmemacher für Leitfiguren wie dem jugendlichen Tarzan, später dann James Dean und Alain Delon, Elvis Presley und Michel Jackson gemündet, über die hinaus sie kommerziell und medial vermittelte Idealbilder junger Männer bis heute weltweit als modisch geprägte Gestalt jedermann andient.

    Daß sie im vatikanischen Belvedere als "versehrte Leiche eines antik-heidnischen Heiligen" aus fünf Teilen zusammengesetzt und um sechs Teile ergänzt bis heute aufbewahrt wurde - zwar bis vor 1797 hinter verschlossener Tür, aber fast jederzeit für jeden Interessierten zu besichtigen - hat selbst anmerkungsweise in der neueren Literatur zum wechselnden Umgang mit Funden fragmentierter antiker Hinterlassenschaften bisher nicht die Aufmerksamkeit auf sie ziehen können, wie sie etwa der Venus von Milo (gefunden 1820) gewidmet wurde. 7



    Zu den in den folgenden Kapiteln verwendete Markierung des Namen Antinous ist folgendes anzumerken:


    Antinous: bezeichnet die historische Person, ihre Biographie u.ä.
    "Antinous": bezeichnet im Unterschied dazu ein Kunstobjekt, sei es als Münze, Medaille, Büste, Relief oder Statue.
    »Antinous«: wird nur für die Statue des Belvedere, deren Ab- oder Nachbildung in unterschiedlichen Materialien verwendet.
    Fettmarkierungen in Zitaten von: Antinous, Antinoo, Antinoüs u. ä. sind vom Verfasser vorgenommene Hervorhebungen, die nicht im Originaltext so zu finden sind.
    > : ersetzt das obligatorische http://www. oder https://www. u.a. vor der Internet-Adresse eines Digitalisats.


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     © by pgerlach 2004 - mail to: Gerlach, Köln Top ^ 
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