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Prof. Dr. Peter Gerlach


 
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  »A Man With Properties -
But Which Ones ?«

Physiognomics 1474 to 1979 in Europe. Illustrations, Comments, and Bibliography
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Experimente mit der Reduktion gehören zu den zentralen Elementen der Moderne des XX. Jahrhunderts.

Wo liegt die Schwelle, an der der Betrachter ein Ganzes, eine ganze Gestalt noch selbstverständlich, mühelos wahrzunehmen in der Lage ist? - das war eine neue Frage, der sich bildende Künstler stellten. Wann verliert sich die intendierte Wahrnehmung des Ganzen? Diese Fragen drängen sich angesichts dieser Bildnisbüste aus der Hand von Belling auf.

Mit seiner Lösung von 1927 stellte er sich dem gleichen Problem, das von der experimentellen Wahrnehmungspsychologie der 20er Jahre in der Gestaltpsychologie gestellt worden war. Wissenschaftliches Interesse und künstlerisches Problem erweisen ihre Zeitgenossenschaft.
Aber Bellings Büste bleibt kein Demonstrationsobjekt für ein wissenschaftliches Problem, es ist ein überzeugendes Kunstwerk.

Was aber macht dieses Mehr an ästhetischer Qualität hier aus? Ist es die ganz wenig überlebensgroße Wiedergabe dieses Ausschnitts eines menschlichen Gesichts plus der Brille? Ist es die subtile Unregelmäßigkeit der Details, die Lebendigkeit suggerieren, Lebendigkeit gerade in der glänzenden Bronzeoberfläche? Ist es nicht auch die handschmeichlerische, haptische Größe und Oberfläche dieses keineswegs zerbrechlich wirkenden Gebildes? Am ehesten noch alles dies in seiner gelungenen Zusammenwirkung. Was aber eigentlich wird denn nun dargestellt von dem häufig Porträtierten?

Sicherlich ein der physiognomischen Tradition seit der Antike vertrauter Aspekt: der der rassischen Zugehörigkeit. Mund und Nase hier sind genau die Elemente, die in der Charakterisierung des Jüdischen solange schon als charakteristische Merkmale für ein ganzes Volk vorgetragen worden sind, als es Juden im christlichen Europa gibt. Beschrieben wird also das Fremde, das Andere - zumeist als Mittel der Diffamierung, der Abgrenzung. In dieser Plastik nun haben wir das Vorurteil auf sein physiognomisch-bildlich Essentielles gebracht.

Flechtheim hat Arbeiten von Belling seit 1920 bis 1933 in seiner Düsseldorfer Galerie ausgestellt. Sie kannten und schätzten sich. Flechtheim hat dieses an ihm Charakteristische mit Stolz zur Kenntnis gebracht und Bellings Plastik neben vielen anderen Bildnissen als ein ihn trefflich wiedergebendes Kunstwerk angesehen.

1938 dann hinterlegten die NAZI-Initiatoren der Ausstellung "Entartete Kunst" ihr Plakat mit eben jenem Ausschnitt aus Flechtheims Profil, das Belling ebenfalls gewählt hatte. Ihre Absicht aber war die des Genozids, damals nur erst unter Mißbrauch ästhetischer Mittel auf dem Papier, wenig später dann mit Kugeln und Gas.

Flechtheim und sein Bildnis haben überlebt.

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© W.P.Gerlach  12.12.1999, revidiert 08.2019.
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