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Prof. Dr. Peter Gerlach


 
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  »A Man With Properties -
But Which Ones ?«

Physiognomics 1474 to 1979 in Europe. Illustrations, Comments, and Bibliography
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Das Studium der menschlichen Figur gehörte zu den vornehmsten Aufgaben der europäischen Kunst seit der Antike. Die Proportion der weiblichen wie der männlichen Gestalt ist der Ausgangspunkt jeglicher Darstellung. Erst auf dieser Grundlage lassen sich in weiteren Schritten Plastizität - also Haltung und Stellung - einschließlich der angemessenen Mimik formulieren.

Indessen ist die Wahl der ideale Proportion, des Ebenmäßig-Mittleren der Gestalt, wie auch des zugehörigen mittleren Alters, bereits erstes Mittel der Charakterisierung. Diese Zeichnungen sind ein durchschnittliches Produkt des akademischen Zeichenunterrichts des XIX. Jahrhunderts, darin vergleichbar Studienarbeiten, wie sie seit dem XVI. Jahrhundert bis heute geläufig sind. Hier nun ist ein spezifischer Fall zu erkennen.

Die eingetragenen Maße machen deutlich, daß sie für Unterrichtszwecke (oder zur Veröffentlichung in einem Lehrbuch) hergestellt wurden. Der verwendete Maßstab beträgt 1 Kopflänge, unterteilt in 4 Nasenlängen zu je 4 Teilen. Dieser Maßstab wurde erstmals von Nicolas Poussin (um 1640) in Rom angewandt. Publiziert von Audran 1683, wurde er zum verbindlichen System der französischen Kunstakademie.

Die ganze männliche Figur weist die Höhe von 8 Kopflängen auf.
Dieser Kanon unterscheidet sich von denen der Antike (Vitruv III.1.2: 10 Gesichtslängen, bei Statuen: 7,5 Kopflängen), aber auch von anderen Entwürfen der italienischen Renaissance. Erst die empirisch-anthropometrischen Untersuchungen der französischen Akademiker an antiken Statuen wiesen den Weg zur modalen Unterscheidung der Proportion von Götterstatuen, der von sterblichen Heroen und der von gewöhnlichen Sterblichen.

In diesen Zeichnungen nun ist der höchste Modus, der der Götter vorgeführt. Die Einzelmaße sind analog denen des Apoll vom Belvedere und der Venus Medici in der Publikation von Audran (1683) eingetragen, stellen also Idealmaße von Gottheiten - nach der traditionellen Lesart - dar. Dieses klassizistische Proportionsideal war jedoch um 1900 bereits eines, das nicht mehr die Diskussion in der bildenden Kunst bestimmte. Dort sollte es indessen ein langes Nachleben vor allem in allen staatlichen oder öffentlichen Kunstrichtungen weltweit genießen. Das gleiche gilt für andere bildnerische Bereiche, wie Komik, Mode, Fotographie, Film bis hin zu Werbung und Design das gesamte XX. Jahrhundert hindurch. Am Ende des vergangenen Jahrhunderts bestimmte dieses Proportionsideal selbst noch alle Entwürfe virtueller Konzepte menschenähnlicher Gestalten des Cyberspace und der Robotik vor allem in Film und Fernsehen.

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© W.P.Gerlach  12.12.1999, revidiert 08.2019.
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