Die Bilderbögen des Verlages
Pellerin in Épinal (Lorraine, Vosges) errangen sehr rasch weite Verbreitung. Sie ersetzten nicht ganz den Bänkelsänger des Jahrmarktes, sondern holten dessen Bildertafeln vielmehr ins kleinbürgerliche Haus.
Die Themen dieser in der neuen Technik der Lithographie und Xylographie (Holzstich) massenhaft, fabrikmäßig erzeugten spöttischen bis erheiternd-moralisierenden Bildergeschichten nahmen sich des Alltags ihres Klientels an. Sie vermitteln aber sehr wohl auch Kunst-Reproduktion ganz unterschiedlichen Genres von religiöser Malerei bis hin zum Tier- und Landschaftsmotiv.
Häufig griffen sie alte Bildformen (z.B. Stufen des Lebens, Jungbrunnen) der religiösen Bilderbögen und Flugblätter wieder auf. Tagesereignisse, aktuelle Berichterstattung war ein typischer Bereich dieser Fabrikation, der indessen bald durch die illustrierten Zeitungen abgelöst wurde. Doch häufiger noch ging es um die kleinen Malesten des häuslichen Alltags. Gestenreich konnten in ihnen diejenigen Affekte und Handlungen dargestellt werden, die - weil sie dem niederen Genre angehörten - in der akademisch-musealen Kunst als nicht bildwürdig galten und daher nicht dargestellt wurden.
Sehr wohl aber bedienten sich ihre - zumeist anonymen - Entwerfer der Kompositionsschemata hoher Kunst, zumal der Historienmalerei. Durch ihre Nähe zur Karikatur und des Spottbildes kann es nicht verwundern, daß sie sich auch des dort jeweils modischen Repertoires bedienten.
In groblinigen Umrissen wurde die Darstellung möglichst vereinfacht, das lokaltonfarbige Kolorit tat ein übriges, um sie gut erkennbar und leicht verständlich erscheinen zu lassen. Ein niedriger Preis als Folge der massenhaften Produktion mit der durch maschinenkraft-getriebenen Schnellpresse sorgte für ihre rasche Verbreitung durch Straßenverkäufer, sogenannte Kolporteure, in ganz Europa.
Die Konkurrenz schlief nicht. In Deutschland etablierte sich etwa um 1860 in Frankfurt die Firma der Gebrüder May mit vergleichbar erfolgreichen Produkten.
© W.P.Gerlach 12.12.1999, revidiert 08.2019.