Die Zivilisation habe den Menschen von seiner Natürlichkeit entfernt. Diese Auffassung teilte
Watelet mit Rousseau. Dadurch seien seine Verhaltensweisen auch ganz erheblich verändert worden. In der Konsequenz versuchte er diesen Naturzustand zu rekonstruieren, um Folgerungen für den bildenden Künstler daraus abzuleiten.
In Zusammenarbeit mit Dandré-Bardon und Lévesque wurden die einzelnen Artikel dieses Wörterbuches der Kunst zusammengetragen. Watelet verfaßte den systematischen Teil. Ihm als Kunstdilettanten lag vor allem daran, daß die Darstellung von Affekten durch Gesten nur dann gelingen, wenn sie automatisch erfolgen, wie z.B. bei der Pantomime.
Er überträgt den Ansatz, den Engel (› 1785) für die Schauspieler entwickelt hatte, auf die Malerei. Das hatte zweierlei zur Folge: Es kam zu einer Korrektur der Gattungshierarchie. Er empfahl aus seiner Perspektive den Künstlern auf die Reaktionen der Betrachter zu achten. Denn nur wenn sie sich angesichts eines Gemäldes überzeugt zeigten, wäre die Komposition des Ausdrucks gelungen. Dabei empfiehlt er die von Le Brun gezeichneten Ausdrucksmuster (nach den Stichen von Audran › 1727). Er weist aber zugleich auf die Erfordernisse einer vielfältigen Differenzierung der Passionen hin.
Eine wissenschaftliche Rechtfertigung der künstlerischen Darstellung hält er nicht für erforderlich, da in der Kunst andere Kriterien höher anzusetzen seien. Damit wird er zum frühen Verfechter des Vorranges ästhetischer Kriterien als Maßstab für die bildende Kunst.