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Prof. Dr. Peter Gerlach


 
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  »A Man With Properties -
But Which Ones ?«

Physiognomics 1474 to 1979 in Europe. Illustrations, Comments, and Bibliography
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Johann Daniel [*17.01.1666 - † 13.10.1737 Nürnberg] und sein Sohn Johann Justin [*1698 - † 1771] Preissler schufen als Mitglieder der von Joachim von Sandrart [*1606 - † 1688] gegründeten Nürnberger Akademie innerhalb weniger Jahre ein umfassendes, systematisch gegliedertes Lehrbuch in 4 Teilen für den Grundunterricht in bildender Kunst, also für das Einüben des Figuren- und Landschaftszeichnens.

Zu den erforderlichen Elementarkenntnissen und -fertigkeiten, die sich der junge Künstler aneignen muß, gehört die genaue Kenntnis der menschlichen Proportion. Nur deren differenzierte Beherrschung befähigt ihn späterhin die Differenzen in der Darstellung unterschiedlichen Geschlechts, Alters und Charakters angemessen leisten zu können.

Nach der herrschenden Temperamentenlehre - als der medizintheoretischen Basis zum Verständnis des Verhältnisses von Leib und Seele - ist der individuelle Charakter abhängig von den Mischungsverhältnissen der für das Temperament verantwortlichen Säfte. Das proportionale Verhältnis dieser Mischung bestimmt zugleich auch seine äußere Gestalt. Insofern ist die Kenntnis von der Proportion des Äußeren zugleich eine Kenntnis zur Gestaltung von unterschiedlichen Charakteren.
Von besonderem Interesse ist nun die im 4. Teil abgedruckte geometrische Konstruktionsanweisung des jüngeren Preisslers [1757], die eine lineare Zunahme der Größe durch das Wachstum unterstellt. In diesem Blatt sind diejenigen Altersstufen nebeneinandergestellt, die in der herkömmlichen Ikonographie eine besondere Rolle spielten. Vom Putto - dem etwa zweijährigen Kind - bis zum voll Ausgewachsenen - etwa 24jährigen Mann - kann der Zeichner so jede beliebige Zwischenstufe abmessend herausgreifen.

Daß wir es bei dieser Darstellung noch nicht mit der erst im XIX.Jahrhundert entdeckten Wachstumskurve zu tun haben, lehrt deren linearen Verlauf. Wichtig indessen ist an diesem Konstrukt, daß auch Altersstufen, die bis dahin recht selten als Themen in der bildenden Kunst vorkamen - wie z.B. bestimmte Stufen des jugendlich Heranwachsenden -, mit Leichtigkeit aus diesem Schema heraus in ihren Maßen bestimmbar wurden. Das macht diese Publikation zu einem raren Fall der zeitgenössischen Kunstliteratur. Es war jedenfalls insofern hilfreich, als Aktstudium - wenn überhaupt als besonderes Privileg der Akademie zugebilligt - keineswegs zur alltäglichen Praxis künstlerischen Studiums gehörte. Das Zeichnen nach Vorlagen und Gipskopie antiker Statuen stand immer noch an dieser Stelle, wodurch die Variantenbreite erheblich einschränkt blieb.

Einer gesonderten Bemerkung ist die Konstruktion des Kopfes in Vorderansicht wert. Immer wird sie symmetrisch konstruiert. Dadurch ergibt sich ein Idealtyp, der erst bei Anwendung auf ein individuelles Portrait modifiziert werden konnte. Selten wird indessen eine frontale Ansicht in Gemälden oder graphischen Darstellungen ausgewählt. Bevorzugt sind mehrheitlich Wiedergaben im Profil - oder Viertelprofil.

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© W.P.Gerlach  12.12.1999, revidiert 07.2019.
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