Ob der Text von
Testelin verfaßt wurde gilt als umstritten, da keine Einigkeit besteht, ob er in dem hier wiedergegebenen Text den Vortrag Le Bruns referiert - was seine Aufgabe als Sekretär der Akademie gewesen ist - oder ob hier ein anderer, von ihm verfaßter Text abgedruckt ist.
Eine Rolle spielt die Entscheidung darüber schon, denn wäre es das Protokoll des Vortrags von Le Brun, wäre dieser Text die zweite authentische Quelle für den Inhalt dieses Vortrags, den wir ansonsten nur aus einem von dem vormaligen Assistenten Le Bruns, Nivelon, verfaßten Manuskript besitzen.
Testelins Illustrationen geben einige der Demonstrationszeichnungen zu dem Teil des Vortrags von Le Brun (› 1696) wieder, der sich mit der Gestaltung von Passionen befaßt.
In seinem Text berichtet Testlin allerdings über einen anderen Aspekt des Problems, indessen nur sehr summarisch, was er durchaus z.B. aus der wenige Jahre zuvor in französischer Übersetzung erschienenen Physiognomik des Della Porta sich angelesen haben könnte: zur Charakterdisposition, der Physiognomik. Die offene Frage ist, ob Le Brun sich mit Physiognomik als der Lehre von den durch Temperamentkonstellation bedingten Charakterunterschieden befaßt hat oder nicht.
Nirgends in seinen Darstellungen der Pathognomik (dem mimischen Ausdruck von Leidenschaften) berücksichtigte Le Brun die unterschiedlichen Auswirkungen in der äußeren Erscheinung der gleichen Emotionen bei unterschiedlichen Charakteren.
Das aber war eine der bereits zeitgenössischen Kritikpunkte an Le Bruns Lehre. Aus Testelins Text läßt sich aber auf einen Beitrag Le Bruns zur Physiognomik nicht schließen.