Unter dem Vorsitz von
Strykius trug ein Christoph Fridrich Schmalkalder aus Stuttgart 1685 in einer juristische Disputation (Thesenverteidigung als mündlicher Teil einer akademischen Abschlussprüfung) über die Rolle des „Geheimen Protokolls“ vor, was in dem - nur für den Richter einzusehenden Protokoll - an mimische Regungen und Veränderungen der Hautfarbe, der Sprechweise, der Gestik u.a. von Beklagten und Zeugen während einer Verhandlung aufgezeichnet werden konnte. Daraus konnte der Richter bei der Urteilsberatung Schlßsse über die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Angeklagten ziehen, die zuvor während der Verhandlung gemacht - und selbstverständlich auch protokolliert worden waren.
Dieses juristische Instrument war durch die Rechtsreform unter Karl V. 1532 für das Hl. Römische Reich Deutscher Nationen eingeführt worden.
Hier in dieser institutionellen Festschreibung einer öffentlichen Funktion der Beobachtung von Zeichen der Physiognomik kann man eines der Vehikel erkennen, die das andauernde Interesse über Jahrhunderte hinweg an dieser Materie bestärkt haben.
Daß dann im XIX. Jahrhundert die anthropologische Phrenologie durch Lombroso einen durchaus zweifelhaften, aber dennoch nicht weniger begierig aufgegriffenen Versuch darstellte, den Typus "Verbrechermenschen" dauerhaft und zweifelsfrei bestimmbar zu machen, kann uns nur stutzig werden lassen, wenn heute die Vorstellung laut wird mit der Genanalyse könne man Dispositionen zu kriminellem Verhalten bereits im Voraus bestimmen und ein endgültiges Urteil über ein Leben fällen, bevor noch dem Individuum jemals die Chance zugestanden sein würde, seine Willensfreiheit unter Beweis zu stellen.