Johannes Praetorius (= Hans Schultze) Werk von 1661 ist eines derjenigen, das wenige Jahre nach dem 30-jährigen Krieg entstand und den ungeheuren Nachholbedarf dieser mitten im Krieg geborenen Generation zeigt, wie viele weitere Veröffentlichungen von Autoren der nämlichen Generation.
In den katholischen Ländern war bereits im XVI. Jahrhundert die Chiromantie - auf den kirchlichen Index gesetzt - verboten. Daher finden sich dann auch die meisten deutschen Publikationen dieses Jahrhunderts in protestantischen Orten (Wittenberg, Jena) gedruckt und verlegt.
Zwar nennt Schultze die Physiognomik ausdrücklich eine Natur-Wissenschaft, wie viele der italienischen Autoren es wegen der Zensur bereits im XVI. Jahrhundert eingeführt hatten, bestimmt aber deren Teile ausschließlich als Metoposcopie und Chiromantie, also diejenigen Teile, die am engsten noch mit einer astrologisch-divinatorischen Deutung verbunden blieben (S. 216 ff).
Die zahlreichen Verweise auf antike, mittelalterliche und zeitgenössische Werke zur Chiromantie und Physiognomik weisen auf zweierlei hin:
1. bemüht er sich enzyklopädisch das Wissen seiner Zeit zu versammeln;
2. aber wird damit zugleich deutlich, daß er letztlich eine konservative Position vertritt, die sich in der langen Tradition dieses kulturellen Wissens spiegelt (s. Memorieren als geläufige Form der Aneignung von Wissen).
In der Tat ist bei ihm ein neuer Ansatz in dem anthropologischen Verständnis nicht zu finden, denn Anthropologie wird von ihm in einem überkommenene Verständnis ausschließlich als Beschreibung der Anatomie des menschlichen Körpers verstanden. Eine psychologische, soziologische oder demoskopische Komponente - wie bei Eltzholz (1654) - kennt er nicht einmal ansatzweise.