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Prof. Dr. Peter Gerlach


 
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  »A Man With Properties -
But Which Ones ?«

Physiognomics 1474 to 1979 in Europe. Illustrations, Comments, and Bibliography
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Immerhin für die Sammlung Kaiser Rudolfs II. im Auftrag der Augsburger Fugger wurde diese Karikaturen-Folge angefertigt. Der Anlaß war ein historisch wie politisch bedeutender.

Sigismund Bathory, Fürst eines protestantischen Landes unter osmanischem Protektorat, hatte 1595 das Vasallenverhältnis gekündigt, sich mit den katholischen Habsburgern verbündet und die steirische Erzherzogin Maria Christina geheiratet. Nach Vertragsabschluß mit dem Kaiser kämpfte Bathory gemeinsam mit verbündeten Woiwoden der Moldau und Walachai gegen türkische Vorstöße. Dabei wurden Gefangene gemacht, von denen zwei auf einem anonymen Reportagekupferstich von 1595 dargestellt wurden. Ebenso wurde das Bildnis Bathorys mehrfach gemalt und in Kupferstichen verbreitet.
Die Fugger hatten durchaus aus wirtschaftlichen Interessen im Osten Europas Anlaß genug dem Kaiser die Tartaren-Karikaturen zu überreichen, dessen Interesse an Kuriosem, Exotischem und Bizzaren hinreichend bekannt war und ist (z.B. an Arcimboldos Gemälden, in dessen Stil Custos 1594 einen Kupferstich anfertigte).

Die Entwürfe zu diesen Stichen stammen wahrscheinlich von Custos Stiefsohn Lukas Kilian, sind also mit Sicherheit keine Karikaturen nach Modellen, sondern Konstruktionen, dem Stil nach durchaus Leonardos Grotteskköpfen vergleichbar. Im Unterschied dazu stehen indessen hier nicht die Grenzen menschlicher Physiognomien im Vordergrund, sondern Schaulust am exotisch Fremden, wie auch die im 1. Zustand nur teilweise beigegebenen Titel belegen. Verballhornung: lautmalende Namen sind den Figuren beigegeben, die als ein Sprachengemisch das Unbekannt-Fremdländische noch betonen.

Mit Custos Karikaturen stoßen wir an ein mit der Physiognomik nur partiell überschnittenes Gebiet. Zwar gab und gibt es immer wieder deutliche Brührungspunkte zwischen beiden Bereichen, aber sie sind keineswegs immer gleichzusetzen. Verfolgte Leonardo (› Hollar 1645) mit seinen Studien die Grenze zwischen dem noch menschlich Charakteristischen und dem anatomisch kaum noch Wahrscheinlichen, so stellen die Blätter von Custos eine Parodie auf die überlieferten Charaktere antiker Götterpaare vor (in der Art von Martino Rota). Sie werden zu unförmigen, aber keineswegs unwahrscheinlichen Zeitgenossen. So hatte etwa Callot in seinen gobbi durchaus beobachtbaren Mißwuchs aus der ambulanten Theaterszene dokumentiert. Allerdings ist der Unterhaltungswert derartiger Gestalten in der Tradition der Hofzwerge dort nicht zu übersehen. Die Namen der Figuren weisen allerdings noch in eine weitere Richtung, die sich ebenso in der zeitgenössischen Literatur beobachten läßt: Die Parodie auf nationale Eigentümlichkeiten in den Vorurteilen Anderer.

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© W.P.Gerlach  12.12.1999, revidiert 07.2019.
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