Von dem Pfarrer
Johannes ab Indagine aus Hain bei Darmstadt [* 1467 Hayn (Dreieichenhain) - † 25.03.1537 Steinheim am Main] verfaßt erschien 1522 in Straßburg eine Chiromantik und Physiognomik, ausdrücklich als "natürliche" dargelegt. So ist der Inhalt dieser ersten illustrierten Physiognomik ausgewiesen.
An dieser Physiognomik sind einige Dinge bemerkenswert im Vergleich zu dem bis dahin üblichen Aufbau. Sicherlich in erster Linie, daß die Chiromantie vorangestellt ist gefolgt von der Physiognomik vor der "natürlichen" Astrologie, nämlich der Complexion, den Einflüssen der Planeten, den zwölf Zeichen des Himmels und den Anzeichen von Krankheiten.
Bemerkenswert ist weiterhin die Anordnung der besprochenen Körperteile, von denen nur die Abschnitte zu den Teilen des Kopfes mit Holzschnitten illustriert worden sind. Erst in der deutschen Ausgabe von 1523 ist dem Abschnitt zu den Armen (Cap. 16) ein Holzschnitt hinzugefügt.
Die Beschreibung der Merkmale des Kopfes beginnt mit den Charakteristiken der Stirn, es folgen die Augenbrauen, die Augen, die Nase, der Mund, die Lippen und Zähne, das Kinn. Diese Reihenfolge bis hier hin entspricht dem traditionellen Schema der Beschreibung. Nunmehr folgt die Betrachtung des Haares, der zwei Holzschnitten beigegeben sind. Danach wird der Blick auf die Form des ganzen Angesichts gelenkt - ebenfalls von zwei Holzschnitten begleitet -, gefolgt von der der Ohren. Hiernach schließt sich ein kurzer Abschnitt zum ganzen Haupt an.
Die Beschreibung "des ganzen Leibes samt der Haut" führt als erstes zum Blick auf die Haut, dann zu den Armen und dann erst zur Brust und den Rippen, dem Bauch und dem Rücken und zu den Gliedern. Am Ende folgen noch einmal in etwas abgeänderter Reihenfolge Bemerkungen zu allen Teilen des menschlichen Körpers. Daß der Kopf mit seinen Teilen den breitesten Raum einnimmt wird nicht nur durch die Illustrationen offenkundig.
Die Holzschnitte nun sind Hans Wechtlin [* 1480/85 - † nach 1526] zugeschrieben worden (Röttinger 1907), bis auf ein Bildnis des Autors und sein Wappe auf dem Titelblatt, die Hans Baldung Grien entwarf. Die paarweise Anordnung von Profilköpfen erlaubte nur eine geringe Variationsbreite in der Wiedergabe der beschriebenen Charakteristika. Dennoch sind sie offensichtlich für dieses Buch angefertigt worden, denn sie illustrieren jeweils oppositionelle Extreme, die durchaus dem Text entsprechend ausgefallen sind.
Indagines Werk fand eine weite Verbreitung in Europa bis ins späte XVII. Jh. hinein, obwohl - oder weil es seit 1586 auf dem päpstlichen Index der verbotenen Bücher stand. Mehrfach wurde es ins Deutsche, Englische, Französische übersetzt. Die lateinische Fassung erschien zudem wiederholt auch noch in Italien und Holland.
© by Peter Gerlach 12.12.1999, revidiert 03.2018.